Im Sommer 1989 erreicht die Kreisstelle des Ministeriums für Staatssicherheit eine Parteiinformation, die sich mit der Situation im VEB Gummiwerke Thüringen "Werner Lamberz" beschäftigte.
Gotha. Dass es sich um eine Parteiinformation handelte, bei der die SED als Absender nicht ausdrücklich erwähnt wird, spricht für das Selbstverständnis der Genossen. Und was diese den MfS-Mitarbeitern mitzuteilen haben, ist auch rückblickend interessant. Immerhin geht es um mangelnde Arbeitsdisziplin. Die lag eher selten an der Faulheit der Mitarbeiter, sondern oftmals an fehlendem Material oder defekten Produktionsmitteln. Doch hier lag der Fall offenbar anders.
Eingangs informiert der Schreiber die Staatssicherheit darüber, dass bereits über einen längeren Zeitraum die Maßnahmen zur vorbeugenden und vor allen Dingen planmäßigen Instandsetzung zu wünschen übrig lassen. "Daraus ergeben sich begünstigende Bedingungen für Brände, Störungen und Havarien und nicht zuletzt Unfallgefahren für die Werktätigen", informiert das Schreiben. Gleichzeitig moniert es, dass "Reinigungen ... im Wesentlichen nur vor Feiertagen im Außengelände auf Kosten der Produktion durchgeführt" werden. Bei diesen wenigen Aktionen sei mehrfach gutes Material wie Buna, Kautschuk und Ruß als Abfall verworfen worden. Die schärfste Kritik richtet sich aber gegen die Auslastung der Arbeitszeit durch die Beschäftigten der Abteilung Rohbetrieb des volkseigenen Werkes.
Der Schreiber gibt weiter: "Durch Manipulation technischer Disziplinen, d.h. insbesondere durch Mischzeitunterschreitung verschaffen sich die Werktätigen 'freie Zeit'. Damit wird insbesondere in der Spät- und Nachtschicht noch maximal 5 ½ bis 5 Stunden gearbeitet. Festzustellen ist lediglich, daß in der Früh- und Spätschicht diese Probleme nicht in dem genannten Ausmaß bestehen, da die Werktätigen in diesen Schichten unwillkürlich der Kontrolle der Leitung des Betriebs ausgesetzt sind."
Weil die Mischzeiten unterschritten werden, komme es innerhalb der einzelnen Serien zu Unterschieden in den physikalischen Werten. Die Folge: Verschnitte oder Nacharbeiten. Dann zählt der Schriftsatz namentlich auf, welche Mitarbeiter sich bei der schluderhaften Arbeit besonders hervor tun. Darauf folgen die Namen der Meister, die großzügig über dieses Verhalten hinweg sehen und der Hinweis, dass auch der Abteilungsleiter die Situation insgesamt toleriere.
Wer vor Ablauf der regulären Arbeitszeit die Firma verlässt, so wird in der Parteiinformation festgestellt, werde nur ungenügend vom Wachpersonal kontrolliert, das in der Regel aus älteren Kollegen besteht.
Geschildert wird folgendes: "Vor einiger Zeit kam es zu einem Vorkommnis, bei dem ein Kollege der Wache einen Werktätigen am frühzeitigen Verlassen des Betriebes hindern wollte und eine tätige Auseinandersetzung die Folge war. Der Werktätige wurde in diesem Zusammenhang nicht zur Rechenschaft gezogen. Dies ist u. a. ein Grund, daß sich das Wachpersonal ausschließlich auf betriebsfremde Personen konzentriert."
Abschließend teilt der Schreiber der MFS-Kreisdienststelle noch mit, dass der Betriebsleitung die Probleme bekannt seien, jedoch deren Einflussnahme auf positive Veränderung nicht im erforderlichen Maß spürbar sei.
Welche Aktivitäten die Parteiinformation bei der MfS-Kreisdienststelle auslöste, ist allerdings nicht bekannt.
http://www.otz.de/startseite/detail/-/s ... 1349701096
Das gab es also auch. Ob es allerdings ein Einzelfall war, entzieht sich meiner Kenntnis.