Erst wurde sein Fotozirkel mit DDR-üblichen Auszeichnungen überhäuft, dann wurde Siegfried Wittenburg als dessen Leiter entlassen. Auslöser des Eklats: eine Ausstellung, die die Amateurfotogruppe 1985 für das "Bruderland" Polen gestalten sollte.
Bald aber erreichte uns eine Beschwerde der künstlerischen Leiterin des Hauses: Der Pförtner habe Lothar am Wochenende dabei beobachtet, wie er im Kulturhaus Aufnahmen von einer jungen Frau machte.
Ich fragte, was denn dabei sei. "Die Frau war nackt!" sagte die Leiterin etwas ratlos.
Ich klärte sie auf: "Frauen sind gleichberechtigte sozialistische Persönlichkeiten und legen ihre ästhetisch-humanistische Ausstrahlung nicht mit ihrer Kleidung ab. Der Staat fördert diese Entwicklung auch im kulturellen Bereich."
Weiter erzählte ich der erstaunten Leiterin, dass es sogar eine Fotogruppe des Kulturbundes gebe, die regelmäßig mit großem Erfolg die Ausstellung "Akt und Landschaft" organisiere. Dazu würde ein ganzes Dorf tagelang von hüllenlosen Damen und bekleideten Fotografen eingenommen, die für die zigtausend Besucher der Ausstellung ansprechende Fotos machten. "Wer möchte ständig heroische Arbeiterporträts, marschierende Kampfgruppen und winkende Staatsmänner sehen?" fragte ich. Dagegen fand sie nichts einzuwenden.
Wenig später erteilte der Kulturhausleiter dem Fotozirkel den Auftrag, 1985 eine Ausstellung für die "Volksrepublik" Polen zu gestalten.
An eine systemkonforme Aussage dachten wir allerdings in keinem Moment und stellten Lothars schöne Frauenbilder in den Mittelpunkt unserer Ausstellung. Probleme erwarteten wir nicht. Denn wir waren fest davon überzeugt, im Sinne der allgemeinen Kulturpolitik der "sozialistischen Menschengemeinschaft" zu handeln. Immerhin gehörten zu unserer Gruppe auch SED-Mitglieder.
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http://www.spiegel.de/einestages/ddr-fo ... 53965.html
Beeindruckend auch die 23 Fotos zu diesem Artikel.