Abiturredner schockiert SED-Establishment

Wie lief der Alltag in beiden deutschen Staaten zur Zeit der Teilung ab? Wie wurde gearbeitet? Was waren typische Berufe? Was wurde nach Feierabend gemacht? Wohin gings in den Urlaub?
Dies ist der Bereich zum Thema "Alltag"

Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Interessierter » 23. September 2015, 16:52

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Foto: privat

"Man kann eine Sache auch 20 Jahre falsch machen": Mit seiner Abiturrede empörte der langhaarige Querkopf Alexander Kobylinski 1983 die SED-Kader im Publikum. Der Pfarrerssohn wurde drangsaliert - doch bereut hat er es nicht. Von Peter Wensierski

Weimar 1. Juli 1983. Bei der Abiturfeier der Erweiterten Oberschule "Friedrich Schiller" geschieht am Abend vor der Ausgabe der Abschlusszeugnisse etwas Unerhörtes. Rund 300 Schüler, Lehrer und SED-Genossen hören der Rede des 18-jährigen Mitschülers Alexander Kobylinski zu, als der langhaarige Pfarrerssohn plötzlich Kurt Tucholsky zitiert: "Lass dir von keinem imponieren, der dir erzählt, lieber Freund, das mache ich schon seit 20 Jahren so." Dann blickt er in den Saal, hebt seine Stimme etwas an und ergänzt: "Man kann eine Sache auch 20 Jahre falsch machen."

Ein paar Schüler in der linken Saalhälfte applaudieren zaghaft, die Mienen von Lehrern und Parteigenossen in der rechten Saalhälfte erstarren. Doch Kobylinski redet unbeirrt weiter: "Ich will damit sagen: Seien wir als junge Generation zu Experimenten bereit, zu denen unsere Eltern und Lehrer nicht bereit waren oder nicht bereit sein konnten, weil es die Umstände nicht zuließen." In Zukunft brauche die DDR mehr Menschlichkeit - und noch etwas: "Wir müssen lernen, mehr in eigener Verantwortung zu denken und zu handeln. Wir und unser Land brauchen Aufrichtigkeit."

Nun applaudieren alle Schüler. Eisige Stille auf der rechten Seite des Saales. Kaum hat Kobylinski das Mikrofon verlassen und sich hingesetzt, stürmt der Schuldirektor nach vorne und fordert ihn auf: "Nehmen Sie dies zurück!" Kobylinski geht wieder nach vorne, sagt nur kurz ein Wort: "Nein!" und setzt sich erneut. Der Direktor geht noch einmal ans Mikro, sein Ton ist jetzt schärfer: "Zum letzten Mal: Nehmen Sie dies zurück!" Redner Kobylinski antwortet: "Ich habe nichts zurückzunehmen."

Aus der Stille wird Unruhe, im Saal soll jetzt eigentlich gefeiert werden, ein Büfett steht bereit, danach sollen Musik und Tanz folgen. Aus den Reihen der zusammenstehenden Lehrer und Genossen dringen Beschimpfungen: "Eine Aufforderung zum Putsch war das!", "Dieses Schwein!", "Diese Ratte!", "So ein Arschloch!", "Man braucht sich doch nur mal sein dekadentes Äußeres ansehen!", "Das wird Folgen haben!". Der Direktor ruft befreundete Stasi-Mitarbeiter herbei. Sie drücken sich die kalkweißen Wänden des Saales entlang, wissen aber nicht wirklich, was sie tun sollen.

Weiter mit der Geschichte des mutigen ,damals jungen Mannes bzw. Schülers geht es hier:
http://www.spiegel.de/einestages/ddr-ab ... 52113.html

Auch er war nicht zu jung, um zu erkennen, was für ein Regime in der DDR herrschte.
Interessierter
 

Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Nostalgiker » 23. September 2015, 18:35

Wieso durfte dieser Pfarrerssohn überhaupt Abitur machen?
wird hier im Forum gerade auch durch den Beitragseintsteller immer behauptet das konfessionell gebundenen Kindern/Jugendlichen gerade auf Grund ihres christlichen Glaubens daran gehindert wurden weiterführende Schulen zu besuchen um gar das Abitur zu machen um dann zu studieren.

Da haben aber die Genossen im Vorfeld ziemlich geschlafen, hoffe nur das die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.


Thoth
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon SkinnyTrucky » 23. September 2015, 18:54

Hey Thoth, hat zwar niks mit Reli zu tun aber meinem Erzeuger wurde die Teilnahme zum Abi verwehrt weil seine älteste Schwester rübergemacht is mit ihrem Stecher....nu probier ma nich zu beweisen, das jeder Abi machen konnte....

....meine Lehrer haben mich immer gepusht Abi zu machen, ich sagte, ich hab kein Bock auf die selbe Verarsche, die se mit meinem Vatter angestellt haben und auf Verpflichtung hätte ich gleich garkein Bock.....tja, Schulterzucken bei den Paukern aber se konnten ja auch nichts machen....mir war klar, dat ich mit meinem großen Mund abitechnisch auch kurz davor fallen gelassen werde und hab erst garnich drauf hingearbeitet....ich war zwar immer Klassenbeste aber so was zählte in der Zone nich an erster Stelle....


groetjes

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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Rei » 23. September 2015, 20:09

Oh,je!
Wieder was gefunden.
Ein Leser schreibt dazu:
3.
hans peter haase, heute, 14:41 Uhr
Stand da jetzt, dass Kindern von Pfarrern das Abitur verwehrt wurde? Komisch - hat Frau Merkel ohne Abitur studiert und dann noch den Doktor in Moskau obendrauf?
Seltsam.
Danke Rei
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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Kumpel » 24. September 2015, 06:38

Da können die DDR Verklärer sich wieder darann aufgeilen warum dieser Bursche überhaupt Abi machen durfte.
Der hat diesen fett gefressenen SED Provinzbonzen mal gezeigt daß noch nicht alle von ihrer Propaganda verblödet und eingeschüchtert waren und ihnen in den Arsch kriechen um was zu werden in dieser DDR.
Respekt seinem Handeln.
Kumpel
 

Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Olaf Sch. » 24. September 2015, 06:57

das ist doch die typische Mache: vom eigentlichen Thema ablenken.

Verknöchert bis ins Mark waren die. Die Partei die hat immer Recht. Nur Idioten haben immer Recht, Ergo war die SED eine idiotische Partei - wzbw.
Olaf Sch.
 

Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Nostalgiker » 24. September 2015, 07:16

Klaro, heute kann und macht jeder Abitur. Bald gibt es dieses beim Discounter an der Kasse beim Einkauf dazu ......
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Edelknabe » 24. September 2015, 07:46

Siehe Interessierter mit:

"Auch er war nicht zu jung, um zu erkennen, was für ein Regime in der DDR herrschte."
Textauszug ende

Köstlich Männer, also ich war ja so herrlich jung und doof damals.Ich habs doch einfach nicht gesehen...(sinngemäß natürlich). Denn uns Interessierter und das müsst Ihr mal verfolgen hängt in letzter Zeit immer diesen Satz an seine Links. Wie so ne Bestätigung, das eben doch nicht alle doof (wieder sinngemäß)waren.

Rainer-Maria und wieder läuft es warm am Rücken runter, ein junger Revoluzzer lies es raus, wild, ungestüm und ich erinnerte mich meines Hakenkreuz in der ....wars die sechste Klasse wo mein Vater dann zur ....ne ne, nicht zur Stasi sondern zum Direktor bestellt wurde.

Und einen guten Tag allen ins Forum
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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Interessierter » 24. September 2015, 10:25

Zitat Edelknabe:
Köstlich Männer, also ich war ja so herrlich jung und doof damals.


Wieso damals ? Du bestätigst doch permanent, dass Du auch heute noch zu " jung " bist.... [flash]
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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Edelknabe » 24. September 2015, 16:53

Stimmt Interessierter, es ist das Kind im Manne beim Rainer, es ist wohl geblieben. Meine Frau meinte gerade, solche schönen langen Haare wie der junge Hübsche auf dem Foto hattest du damals auch. Ich nahm es mit einem Schmunzeln zur Kenntnis.

Rainer-Maria
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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon augenzeuge » 27. September 2015, 09:05

"Ich will damit sagen: Seien wir als junge Generation zu Experimenten bereit, zu denen unsere Eltern und Lehrer nicht bereit waren oder nicht bereit sein konnten, weil es die Umstände nicht zuließen." In Zukunft brauche die DDR mehr Menschlichkeit - und noch etwas: "Wir müssen lernen, mehr in eigener Verantwortung zu denken und zu handeln. Wir und unser Land brauchen Aufrichtigkeit."


Was ist daran eigentlich schlecht? Diese Sätze sind allgemein tauglich, systemunabhängig.

Allein die Tatsache, dass man sich darüber empörte, zeigt den realen Status Quo, in dem sich die DDR befand. Und der ist als Ursache zu kritisieren, nicht der junge Mann,der frühzeitig die Einsicht über die wahre Politik bekam, weil er nicht nur erkannte, was andere nicht sehen wollten. Nein, er sagte es auch noch offen. Das ging 1983 natürlich gar nicht.

Solche Lehrer und Parteigenossen, die sich aus Angst immer gegen Veränderungen in der DDR mit Gewalt gestemmt haben, tragen eine entscheidende Verantwortung am Scheitern ihres Staates.
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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon SkinnyTrucky » 27. September 2015, 13:22

Wer so panisch Angst vor Kritik hat, dem....

....Rest dürft ihr selber weiterführen....viel Spass dabei....


groetjes

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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon Nostalgiker » 27. September 2015, 14:47

Augenzeuge, wieso unterstellst du so penetrant "Angst"?
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Abiturredner schockiert SED-Establishment

Beitragvon augenzeuge » 27. September 2015, 18:14

Thoth hat geschrieben:Augenzeuge, wieso unterstellst du so penetrant "Angst"?


Penetrant war sie, die Angst, da hast du recht. Aus Angst vor Verlust ihrer Macht, musste der politische Kritiker so früh wie möglich bekämpft werden.

Man hatte Angst, Thoth, ich unterstelle sie nicht. Man hatte Angst, dass Jugendliche die falschen Fragen stellen, man hatte Angst dass das Volk wegläuft, dass es sich gegen die herrschende Klasse verbündet, man hatte Angst, dass man seiner Lügen überführt wird, man hatte Angst vor der Freiheit des Volkes...deshalb versuchte man diese so lange zu verhindern wie es nur ging.

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