von andr.k » 28. Juli 2013, 23:31
Die Topographische Karte "Ausgabe für die Volkswirtschaft" – Staatssicherheit und Kartenverfälschung in der DDR
Über „Landkarten für den durchschnittlichen Nutzer (Wirtschaft, Industrie, Landwirtschaft) gegenüber Landkarten für das Militär: Doppelstandards bei der Genauigkeit von Landkarten in der sowjetischen Kartographie(1917 – 1991)“ veröffentlichte Alexej V. Postnikov, stellvertretender Direktor des Instituts für Wissenschafts- und Technologiegeschichte an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, im Jahre 2002 einen aufschlussreichen Artikel. Für unsere Thematik, die sich auf das eine topographische Kartenwerk der „Ausgabe für die Volkswirtschaft“ (AV) der DDR bezieht, dabei aber als Richtschnur das andere für die bewaffneten Organe als existent voraussetzt, weil daraus abgeleitet, sind diese Darlegungen wegweisend und exemplarisch zugleich. Sie lehren darüber hinaus, die politischen Rahmenbedingungen zu thematisieren, um die „Doppelstandards“ in ihren Auswirkungen für die kartographische Darstellung und Nutzung präzisieren zu können.
Das Thema
Aus Postnikovs Resümee sei angeführt: „Nach der Revolution wurde die Großmaßstabskartographie durch den zentralisierten Staat fortgesetzt, verstärkt und gipfelte schließlich in der Herrschaft des KGB und in einer besonderen Gesetzgebung […]. Im zweiten Teil der Arbeit wird gezeigt, dass eine solche Entwicklung eine bedeutende Konsequenz für durchschnittliche Nutzer von Landkarten (im Gegensatz zum Militär) hatte. Ihre ‘großmaßstäblichen Landkarten‘ waren nämlich eigentlich vergrößerte Ausschnitte der 1 : 2 500 000-Landkarte der Sowjetunion mit einer besonders verzerrten Projektion.“
[Postnikov 2002] Offensichtlich gab es bei der Zusammenstellung, Veröffentlichung und Nutzung militärischer und anderer als vertraulich eingestufter Informationen drastische Beschränkungen und Überwachungen durch den Staat und dessen spezielle Sicherheitsorgane. Für die DDR, die zum Machtbereich der UdSSR gehörte, war dieses Muster prägend. Die Sowjetisierung war vielfältig und erstreckte sich auf Geographie und Kartographie. Nicht nur Friedrich der Große wusste, dass sich ohne Karten keine Kriege führen lassen.
Für militärische Operationen waren und sind topographische Karten unverzichtbar. Die Wirtschaft kann aber genauso wenig ohne exakte topographische Karten planen und arbeiten. Wie diese oder jene Kartographie – für das Militär bzw. für die Wirtschaft oder andere Nutzer(auch für jedermann?) – zugelassen wird, hängt von der Politik ab. In den eingangs zitierten „Doppelstandards“ drückt sich eine politische Ordnungsvorstellung mit einem spezifischen Sicherheitsdenken und einer korrespondierenden administrativen Organisation (Zentralisierung, Kontrolle und Zensur der Regierung, Unterordnung der zivilen Belange unter die militärischen) aus. Karten bilden ja keineswegs nur nach oder ab, sondern geben Realitäten vor, sie schaffen diese.
Relevant sind nicht bloß Fragen der Geheimhaltung, die diese oder jene Benutzung ausschließt, es geht letztendlich um die Frage der topographischen Karteninhalte, die selbst bei eingeschränkter Nutzung reduziert, überarbeitet, getarnt, verfälscht, ja gefälscht wiedergegeben werden mussten. Für die DDR ist pauschal festzustellen: „Bis 1965 waren die topographischen Karten sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich eingesetzt. Im Sommer 1965 fand in Moskau eine Konferenz der Leiter der Geodätischen Dienste sozialistischer Länder statt, auf der u. a. verschärfte Maßnahmen zur Geheimhaltung geodätischer und kartographischer Daten beschlossen wurden darunter einschneidende Maßnahmen zur Nutzung topographischer Karten.“ [Haack 1996, S. 31] Im Nachfolgenden soll diese Entwicklung im Rückgriff auf unsere Publikation „Kartenverfälschung als Folge übergroßer Geheimhaltung? Eine Annäherung an das Thema Einflussnahme der Staatssicherheit auf das Kartenwesen der DDR“ detailliert und mit extra hierfür ausgewählten Beispielen topographischer Verfälschungen der „Ausgabe für Volkswirtschaft“ belegt werden.
Sowjetisierung der amtlichen DDR-Kartographie
Seit der I. Konferenz der Geodätischen Dienste der UdSSR und der Volksdemokratischen Staaten in Sofia vom 22. Juni bis 1. Juli 1952 stand fest, dass die „Herausgabe topographischer Karten […] nach den in der UdSSR angenommenen Prinzipien“ [BArch, DO 1 15.0 Nr. 54077] zu erfolgen hatte. Das bedeutete, die amtliche Kartographie bis 1959 zu erneuern und „für die Durchführung geodätischer und kartographischer Arbeiten das Referenz-Ellipsoid F. N. Krassowski’s sowie das einheitliche Koordinatensystem der UdSSR vom Jahre 1942“ sowie „als Ausgang für die Höhenrechnungen Null des Kronstädter Pegels anzunehmen.“
Aus dem sowjetischen Vorbild folgte ferner ein striktes Sicherheitsdenken, das die Ausstattung der Volkswirtschaft mit Karten als Planungsgrundlagen behinderte. Manfred Pateisat, der damalige Leiter der Verwaltung Vermessungs- und Kartenwesen (VVK) im Ministerium des Innern (MdI) der DDR, versuchte in Moskau im April 1958 zu klären, „inwieweit der Vertraulichkeitsgrad durch Überarbeitung von großmaßstäblichen Kartenwerken und für einzelne Koordinaten gelockert werden kann.“ Er stieß auf eine strikte Sicherheitsdoktrin: „Die sowjetischen Genossen teilten mit, dass in der UdSSR die topographischen Karten aller Maßstäbe und jede Koordinate des Systems 42 VVS [Vertrauliche Verschlußsache] ist. Sie sind der Meinung, dass diese Maßnahmen in Anbetracht der Situation in der DDR als der am weitesten westlich gelegene sozialistische Staat besonders wichtig ist. Wenn sich eine Überarbeitung von Kartenwerken für verschiedene Zwecke der Volkswirtschaft unbedingt erforderlich macht, muss darauf geachtet werden, dass alle Angaben vertraulichen Charakters entfernt werden.
In der Sowjetunion sind auch die Karten anderer Ministerien VVS.“ [BArch DO1 15.0 Nr. 53627] Um zu verstehen, was von sowjetischer Seite befürchtet wurde, muss man sich ihre globalmilitärische Sicht zur Zeit des Kalten Krieges vergegenwärtigen: „Die amerikanischen Militärs machen z. Z. große Anstrengungen zur Schaffung eines Weltkoordinatensystems. Man müsste die Lage so einschätzen, dass sich derjenige im militärischen Vorteil befindet, der zuerst ein Weltkoordinatensystem aufgebaut hat. Auf Grund dessen und auf Grund der Tatsache, dass von Sputniks aus heute detaillierte Luftaufnahmen gemacht werden könnten, hat sich die Lage seit den letzten gemeinsamen Konferenzen insofern verändert, als heute nicht mehr so sehr die Geheimhaltung des topographischen Details von Bedeutung ist, als vielmehr die Geheimhaltung von Koordinatensystemen.
Natürlich soll das wiederum nicht heißen, dass alle topographischen Details veröffentlicht werden.“ [Ebenda] Der VSCharakter der Karten schloss eine breite Verwendung aus, stellte 1962 die VVK in einem als „Vertraulich“ ausgewiesenen Vorschlag fest. Eine Lösung wäre, ein zweites Kartenwerk zu schaffen, da seitens der Volkswirtschaft nicht alles das gefordert würde, was in den Karten die Militärs für darstellenswert hielten. [BArch, DO 1 15.0 Nr. 30140, S. 3, abgedruckt in Unverhau 2003a als Anlage 3]. Die VVK prüfte in der Folgezeit diese Möglichkeit und konsultierte deswegen Ende November 1963 die sowjetische Hauptverwaltung für Geodäsie und Kartographie [BArch, DO 1 15.0 Nr. 53627, abgedruckt in Unverhau 2003a als Anlage 4]. „Die sowjetischen Genossen empfahlen, so zu verfahren, wie es jetzt in der UdSSR geschieht.
Die Volkswirtschaft schließt an die alten örtlichen Netze an, und es werden ihr die Koordinatenunterschiede im alten System zur Verfügung gestellt.“ [Ebenda] Ein gutes halbes Jahr später schilderte der Leiter des Militärtopographischen Dienstes der UdSSR die beste Lösung so: „ – jedes sozialistische Land hätte sein eigenes System – in jedem einzelnen sozialistischen Land würden wiederum viele Systeme existieren (lokale Netze mit willkürlich angenommenen Punkten bzw. Koordinatenunterschieden) […] – Koordinaten in einem einheitlichen System (System 42) verbleiben zum Gebrauch nur im Bereich der Armeen und der Geodätischen Dienste - topographische Karten mit [dem] Koordinatensystem 42 werden von allen zivilen Organisationen zurückgezogen.“ [Ebenda, abgedruckt bei Unverhau 2003a als Anlage 5] Damit war der Boden für die VII. Konferenz der Geodätischen Dienste der sowjetischen Länder in Moskau vom 15. bis zum 24. September 1965 bereitet. Der Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen und -vorkehrungen entsprachen zwei topographische Kartenwerke, eines für die Landesverteidigung und eines für die Volkswirtschaft.
Erstere sollten topographisch- geodätische und kartographische Materialien „im einheitlichen Koordinatensystem“ [BArch DO 1 15.0 Nr. 54077] enthalten. Abzusetzen davon sind letztere, also „offene großmaßstäbliche Karten und Pläne“ [Ebenda], für die gleichwohl „die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen“ angemahnt wurde. Weil auch spezifische Bedingungen des jeweiligen Landes zu berücksichtigen waren, wurde allen Geodätischen Diensten empfohlen, „die notwendigen Maßnahmen zu[r] weiteren Regulierung der topographisch-geodätischen Arbeiten auf dem Territorium ihrer Länder zu treffen, und diese Regulierung durch entsprechende Beschlüsse der Regierungsorgane formulieren zu lassen.“
Begründung und Prinzipien der Ausgabe für die Volkswirtschaft durch den Beschluss des Nationalen Verteidigungsrats (NVR) der DDR vom 13.10.1965
Unverzüglich wurden diese Vorgaben umgesetzt. Der NVR beriet zweieinhalb Wochen später „Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im Umgang mit geodätischen und kartographischen Materialien“ und beschloss: „II 1. a) Topographische Karten im einheitlichen Koordinatensystem [...] werden nur im Ministerium für Nationale Verteidigung [MfNV], im Ministerium für Staatssicherheit [MfS] und im Ministerium des Innern [...] geführt. [...] 2. Für die Verwendung in der Volkswirtschaft sind topographische Karten als besondere Ausgabe, aus denen die vertraulichen Angaben, wie einheitlicher Blattschnitt, geodätische Netze, trigonometrische Punkte, Qualitäts- und Quantitätsangaben, entfernt sind, zur Verfügung zu stellen.“ [BArch-MilArch, DVW 1 Nr. 39481, abgedruckt bei Unverhau 2003a als Anlage 6] Genaueres über die nichtmilitärischen Karten regelte Abschnitt I: „2. a)
Für die Verwendung in der Volkswirtschaft sind örtliche, rechtwinklig-konforme Koordinaten jeweils bezogen auf einen Bezugspunkt mit den Koordinaten H= 50 000,00 m und R= 50 000,00 m für örtlich begrenzte Gebiete (örtliche Systeme) einzuführen. b) [...] Die Gebietsausdehnung der örtlichen Systeme soll in der Regel 80 km² nicht übersteigen.“
Die „dem Ministerium des Innern unterstellten Beauftragten der Staatlichen Geodätischen Kontrolle [legen] die jeweiligen Bezugspunkte fest“. Was das bedeutete, ist in einem späteren Schreiben der VVK an den Militärtopographischen Dienst (MTD) vom Juli 1981 deutlicher formuliert: „Die Berechnung der Koordinaten für Objekte in den topographischen Karten (AS [nichtoriginärer Zusatz Ausgabe Sicherheit oder Staat]) und (AV) erfolgt nach unterschiedlichen Ausgangswerten.
Ohne Kenntnis der Formeln zur Koordinatentransformation ist die Ermittlung der Koordinaten [...] in den [...] Karten (AS) auf der Grundlage der Koordinaten [...] in den [...] Karten (AV) nicht möglich. Die Formeln sind weder dem Bearbeiter noch dem Nutzer der topographischen Karten (AV) bekannt.“ [BArch, DO 1 15.0 Nr. 52806] Weiterhin hatte der NVR 1965 in Abschnitt II, Punkt 4 festgelegt: „Topographische Karten der Maßstäbe 1 : 5 000 bis einschließlich 1 : 50 000, die sich in Dienststellen, Einrichtungen und Betrieben außerhalb [des MfNV, des MfS oder des MdI, im Original wird auf den oben zitierten Punkt II.1.a verwiesen] befinden, sind [...] einzuziehen und gegebenenfalls durch topographische Karten (Ausgabe für die Volkswirtschaft) zu ersetzen.“
Über die Realisierung dieses NVR-Beschlusses berichtete die VVK am 19. April 1966, dass die am 1. Dezember 1965 begonnene Herstellung von 4 070 Kartenblättern 1 : 10 000 und 352 Kartenblättern 1 : 25 000 der neu geschaffenen „Ausgabe für die Volkswirtschaft“ zum Ende des Monats abgeschlossen sein solle. Für das II. Quartal 1966 sei geplant, insgesamt 107 260 Blätter der topographischen Karte „aus den Bereichen der Volkswirtschaft“ einzuziehen und gegen die Ausgabe für die Volkswirtschaft umzutauschen.
Die VVK und der Militärtopographische Dienst (MTD) erarbeiteten in der Folge gemeinsam Redaktionsanweisungen, wie die Kartenblätter inhaltlich zu überarbeiten waren. Die so genannten „Objekte der Landesverteidigung“ („OVL Bearbeitung“) tarnte der MTD. Aus Platzgründen muss für weitere Einzelheiten auf unsere Publikation verwiesen werden.
Die nachfolgenden Kartenbeispiele – es werden jeweils Ausschnitte der Topographischen Karte der „Ausgabe für die Volkswirtschaft“ gegenübergestellt – bieten einen für sich sprechenden Ersatz.
Beispiele der Verfälschung aus der „Ausgabe für die Volkswirtschaft“
„Nach Sandner sollte zwischen Kartenfälschung und Kartenverfälschung unterschieden werden. Danach werden topographische Karten gefälscht, thematische Karten hingegen verfälscht. Historisch gesehen sind Kartenfälschung und Kartenverfälschung nicht auf die DDR beschränkt. Ihr Ausmaß ist jedoch im deutschsprachigen Raum historisch einmalig. Auf die Unvorstellbarkeit der beiden Phänomene lässt sich schließen, dass moderne Fachwörterbücher und Lexika diese Stichwörter bisher nicht enthalten.“ Obwohl wir im Sprachgebrauch lässiger sind, haben wir aber eingehend den Sachverhalt der „Fälschung“ untersucht und detailliert belegt.
Neuland wurde in der Ermittlung und Auswertung einschlägiger schriftlicher Quellen betreten. Der Beschluss des NVR vom 13.10.1965 wurde erstmals im Kartographie geschichtlichen Zusammenhang publiziert und ausgewertet. Es war nicht nur dem Umstand geschuldet, dass sich dieser Beschluss in Unterlagen der mit der Abwehrarbeit im MdI zuständigen Hauptabteilung VII des Ministeriums für Staatssicherheit fand, dass weitergehende Recherchen angestellt wurden. Die Sicherheitsdoktrin implizierte eine institutionalisierte Seite des Staatssicherheitsdenkens, seit 1959 vom MdI die Zuständigkeit für das Verschlusssachenwesen, also für die Wahrung der Staatsgeheimnisse, darunter die topographischen Karten, auf das MfS übergegangen war.
1962 erließ z. B. der Leiter der besagten Hauptabteilung VII eine „Arbeitsrichtlinie für die politisch operative Arbeit auf der Linie des staatlichen Vermessungswesens der DDR“. Von dieser im MfS-Jargon bezeichneten „Linie Vermessungswesen“ haben wir nicht behauptet, dass sie Landkarten fälschte u. Ä. m. Das brauchte die Staatssicherheit nicht zu tun, weil andere, die sie gegebenenfalls auf „Linie“ hielt, dieses taten. Als Geheimpolizei und Untersuchungsorgan für Staatsverbrechen besaß sie viele Fähigkeiten zur Repression und Zersetzung und weitgehende Überwachungsfunktionen – nicht zuletzt mit Inoffiziellen Mitarbeitern, die ja kein Phantom sind und ihr auch den nötigen Sachverstand zur Beurteilung des Kartenwesens vermittelte, um Einfluss zu nehmen.
Diese Sicht hat nun offensichtlich „Widerstand“ hervorgerufen und die Tatsache verschütten helfen, dass lange vor uns von Fachleuten auf den zugrunde liegenden Sachverhalt und Ausgangspunkt dieser Darlegungen hingewiesen worden ist: „Jedermanns Karte war jederzeit gefälscht“ lautet die Überschrift zu einem Interview mit dem Leiter der Kartenredaktion von H. Haack, Gotha, Helmut Langer, in der Thüringer Allgemeine vom 21. Juni 1990. „ [Zeitung:] Die Tagesschau-Enthüllungen vom Montagabend bestätigten einen lang gehegten Verdacht: DDR-Landkarten wurden systematisch gefälscht.
Sie als Spezialist dürfte das wohl kaum überrascht haben? [Langer:] Nein, das war jedem Kartographen natürlich längst bekannt. Ein offenes Geheimnis, wie man so sagt, über das wir intern seit mehr als 20 Jahren diskutieren. [Zeitung:] Was stimmte denn nicht mit den Karten? [Langer:] Die Karten sollten vermeintlichen feindlichen Kräften nicht jene Information geben, die sie für ihre Zwecke hätten missbrauchen können.
Das ist angesichts heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse ohnehin eine schizophrene Vorstellung – aber das war in der Tat so: Von der Verwaltung Vermessen und Kartenwesen des Ministeriums des Innern bekamen wir stets die gefälschten Karten als Vorlagen für unsere Drucke, und wir erhielten auch jedesmal ganz genaue Anweisungen, was auf den ‚Karten für jedermann‘ wie erscheinen musste.“
Gezeigt wird in einer Abbildung ein Blatt der Topographischen Karte „Ausgabe für die Volkswirtschaft“, erläutert wird dazu:
„Solche Karten mit exaktem Gradnetz gab es in der Vergangenheit nur für Militärs und für die Stasi-Dienststellen“. Es fällt leicht, diese Presseangabe zu berichtigen: Diese Karte reichte an Exaktheit nicht an die Topographische Karte heran, die lediglich das MfNV, das MdI und das MfS benutzen durften. Die Ausgabe für die Volkswirtschaft war, verschämt noch 1992 ausgedrückt, die „abgeleitete“ Karte.
Einer kritischen historischen Betrachtung hält auch folgende Umschreibung nicht stand, die nicht von Kartographen, also auch nicht den Verantwortlichen in der VVK u. a., sondern vom Fach spricht, als vollbrächte es losgelöst von Menschen und deren politischen Einbettungen und übernommenen Zielsetzungen nicht zu hinterfragende Leistungen:
„Die Kartographie der ehemaligen DDR hatte die Aufgabe, für Bevölkerung, Wirtschaft und Armee Karten zu erstellen, die dem jeweiligen Nutzerkreis angepasst waren. Da der Geheimhaltungsgrad einen hohen Stellenwert hatte, standen genaues Kartenmaterial und bestimmte Daten dem Nutzer nur für ausgewiesene Aufgaben zur Verfügung. Viele Leistungen der Kartographie sind deshalb einem breiten Nutzerkreisunbekannt geblieben“.
Was war, ist komplexer und quellenkritischer zu betrachten, bei aller eingestandener Schwierigkeit den „Mantel der Geschichte“, um Leopold von Ranke einzubeziehen, zu fassen zu bekommen!
Quelle: Dagmar Unverhau, Roland Lucht, Horst Henkel, Wolfgang Scholz, Bundesarchiv bzw. Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, Haack Erfried, Sandner Eberhard unter Mitwirkung von Kurze Jutta, Koch Wolf Günther, Schirm Werner, Wilfert Ingeborg, Postnikov, Alexej V.
AK
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.