Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Wie lief der Alltag in beiden deutschen Staaten zur Zeit der Teilung ab? Wie wurde gearbeitet? Was waren typische Berufe? Was wurde nach Feierabend gemacht? Wohin gings in den Urlaub?
Dies ist der Bereich zum Thema "Alltag"

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon Sirius » 27. Oktober 2012, 15:24

Sind Euch eigentlich in den DDR-Atlanten und Karten abgesehen von existierenden oder nicht existierenden weißen Flächen an der innerdeutschen Grenze auch die politischen "Interpretationen" aufgefallen? Der folgende Kartenausschnitt aus einem Atlas aus dem Jahr 1982 zeigt Ostasien. Was auffällt, ist, dass es in Korea nur einen Staat gibt, nämlich die KDVR mit der Hauptstadt Pjöngjang - Hauptstädte sind unterstrichen. Ein südkoreanischer Staat mit der Hauptstadt Seoul existiert auf dieser Karte nicht, es ist auch nicht die im Jahr 1953 festgelegte Grenze/Demarkationslinie zu erkennen. Des weiteren existiert auf dieser Karte auch kein eigenständiger Staat Taiwan mit einer Hauptstadt Taipeh. Aufgrund der gleichen gelben Farbe wird es zur VR China gehörend angegeben.

Die DDR, die immer auf ihre Eigenständigkeit und Anerkennung gepocht hat, erkennt in ihren Kartenwerken weder Südkorea noch Taiwan als eigenständige Staaten an.

Haack.JPG
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Benutzeravatar
Sirius
 
Beiträge: 3915
Registriert: 21. September 2011, 10:01

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 27. Oktober 2012, 15:34

Sirius hat geschrieben:... aus einem Atlas aus dem Jahr 1982 zeigt Ostasien. Was auffällt, ist, dass es in Korea nur einen Staat gibt, nämlich die KDVR mit der Hauptstadt Pjöngjang - Hauptstädte sind unterstrichen. Ein südkoreanischer Staat mit der Hauptstadt Seoul existiert auf dieser Karte nicht, es ist auch nicht die im Jahr 1953 festgelegte Grenze/Demarkationslinie zu erkennen.


Und das noch 1982!! Ok, zu folgenden Staaten hatte die DDR auch nie diplom. Beziehungen: Südafrika, Südkorea, Israel, Taiwan, beförderte zeitweise nicht mal Briefe dahin.....dann wundert es nicht, dass die Schüler das nicht wissen müssen..... [flash]

Allerdings musste man danach Südkorea schnell bekannt machen, wollte man doch 1988 dort an der Olympiade teilnahmen....

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84414
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon CASI » 27. Oktober 2012, 16:52

Moin,

angeregt durch diesen Thread habe ich einmal meinen Auto Atlas "Neues Deutschland" vom VERLAG ENZYKLOPÄDIE Leipzig aus dem Jahr 1959 rausgekramt.

Im Jahr 1959 schien die Gesamtdeutsche Welt zumindest auf der Karte noch halbwegs in Ordnung zu sein.
Es sind alle Orte der Bundesrepublik vorhanden, sogar Stadtpläne und Entfenungstabellen. Bielefeld - Leipzig: 372km!
Image-02.jpg


Interessant bei der Übersichtskarte ist die Bezeichnung/Abkürzung der Bundesrepublik. ;-)
Die Bezeichnung kannte ich auch noch nicht.
Image-01.jpg


Interessant ist auch, das in diesem Atlas bis auf das Vorwort eigentlich nichts politisches steht und der ganze Atlas sehr neutral gehalten ist.
Schön auch die DDR Werbung mit ihren skurilen Produktnamen. Wer kennt noch Wofacutan? (3 mal kontrolliert, ist richtig geschrieben)
Bei Bedarf stelle ich noch ein paar Schmankerl davon ein.

Viele Grüße
Carsten
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Toleranz ist: sehen, verstehen, lernen, handeln!
Intoleranz ist: sehen, handeln und dann unverständnis lernen!
CASI
 
Beiträge: 166
Bilder: 1
Registriert: 22. April 2010, 18:18

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon Sirius » 27. Oktober 2012, 16:58

CASI hat geschrieben:
Interessant bei der Übersichtskarte ist die Bezeichnung/Abkürzung der Bundesrepublik. ;-)
Die Bezeichnung kannte ich auch noch nicht.


DBR. Man lernt doch immer wieder dazu. Was soll das heißen? Deutsche Bundes Republik? Demokratische Bundes Republik wohl kaum.
Zuletzt geändert von Sirius am 27. Oktober 2012, 17:06, insgesamt 4-mal geändert.
Benutzeravatar
Sirius
 
Beiträge: 3915
Registriert: 21. September 2011, 10:01

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon Icke46 » 27. Oktober 2012, 17:00

CASI hat geschrieben:Interessant bei der Übersichtskarte ist die Bezeichnung/Abkürzung der Bundesrepublik. ;-)
Die Bezeichnung kannte ich auch noch nicht.


Die Bezeichnung war in den 50er-Jahren, zumindest anfangs, in der DDR offiziell gebräuchlich, ich mutmaße mal, um einen gewissen Gleichklang zu haben:
DDR= Deutsche Demokratische Republik, DBR=Deutsche BundesRepublik.

Ich hatte mal ein Meyer Lexikon aus der DDR (Stand, wenn ich mich recht erinnere 1962) da war die Bezeichnung inzwischen zu Westdeutschland (abgekürzt WD) mutiert.

Gruss

icke
Benutzeravatar
Icke46
 
Beiträge: 5824
Bilder: 426
Registriert: 25. April 2010, 18:16
Wohnort: Hannover-Peine

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 27. Oktober 2012, 17:14

Klasse, Carsten. DBR, was für ne seltene Bezeichnung..... [wink]

Seit den 1950er Jahren bestand die DDR darauf, die Bundesrepublik Deutschland als "Deutsche Bundesrepublik" (abgekürzt "DBR") zu bezeichnen, weil sie die Deutsche Demokratische Republik noch als Teil Deutschlands sah. Der Name "Deutschland" sollte in der Bezeichnung vermieden werden. Später versuchte man dies kurz mit "BRD".....
[flash]

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84414
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 23. Februar 2013, 16:04

Edelknabe hat geschrieben:Mir erschließt sich ehrlichgesagt auch nicht der Sinn/Unsinn von weißen Flecken auf irgendwelchen Karten....
Rainer-Maria


Verkehrsübersicht aus dem Jahr 1985
Bemerkenswert, wirklich jeder! Hinweis auf West-Berlin fehlt.

Bild
Quelle: m.joedicke/ http://www.flickr.com/
AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84414
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon Icke46 » 23. Februar 2013, 17:16

Witzigerweise ist auf dem Plan der Bahnhof Friedrichstraße als Umsteigebahnhof zur Fernbahn ausgewiesen -
das war ja nun auch nicht so ohne weiteres möglich [wink] .

Gruß

icke
Benutzeravatar
Icke46
 
Beiträge: 5824
Bilder: 426
Registriert: 25. April 2010, 18:16
Wohnort: Hannover-Peine

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon pentium » 23. Februar 2013, 17:48

Schön finde ich auch den Hinweis auf die Intertankstellen!

mfg
pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon Icke46 » 23. Februar 2013, 18:00

Es wäre ja mal interessant, in welchem Zusammenhang dieses Karte veröffenlicht wurde -
das ausweisen von Friedrichstraße als Umsteigebahnhof und das Aufführen von Intertankstellen
deutet ja eigentlich darauf hin, dass der Angesprochenen dieser Karte ein Touristen aus dem
westlichen Ausland waren.

Gruss

icke
Benutzeravatar
Icke46
 
Beiträge: 5824
Bilder: 426
Registriert: 25. April 2010, 18:16
Wohnort: Hannover-Peine

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 23. Februar 2013, 18:13

icke46 hat geschrieben:Es wäre ja mal interessant, in welchem Zusammenhang dieses Karte veröffenlicht wurde -
icke


Ich denk, das ist die Umschlagseite eines Stadtplanes...der Verfasser betitelt es so:

HAUPTSTADTVERKEHR 1985
Berlin - Hauptstadt der DDR Verkehrsübersicht aus dem Jahr 1985
AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84414
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon pentium » 23. Februar 2013, 18:30

Schuld sind die weißen Flecken! Das wir über diesen Plan rätseln. (Scherz) Für einen Stadtplan! Könnte sein! Aber nicht nur für westliche Besucher oder Reisende, die hätten ja nie mehr nach Hause gefunden. Gut dafür gibt es ja einen Intercampingplatz?

mfg
pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Kartenverfälschung in der DDR

Beitragvon andr.k » 28. Juli 2013, 23:31

Die Topographische Karte "Ausgabe für die Volkswirtschaft" – Staatssicherheit und Kartenverfälschung in der DDR

Über „Landkarten für den durchschnittlichen Nutzer (Wirtschaft, Industrie, Landwirtschaft) gegenüber Landkarten für das Militär: Doppelstandards bei der Genauigkeit von Landkarten in der sowjetischen Kartographie(1917 – 1991)“ veröffentlichte Alexej V. Postnikov, stellvertretender Direktor des Instituts für Wissenschafts- und Technologiegeschichte an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, im Jahre 2002 einen aufschlussreichen Artikel. Für unsere Thematik, die sich auf das eine topographische Kartenwerk der „Ausgabe für die Volkswirtschaft“ (AV) der DDR bezieht, dabei aber als Richtschnur das andere für die bewaffneten Organe als existent voraussetzt, weil daraus abgeleitet, sind diese Darlegungen wegweisend und exemplarisch zugleich. Sie lehren darüber hinaus, die politischen Rahmenbedingungen zu thematisieren, um die „Doppelstandards“ in ihren Auswirkungen für die kartographische Darstellung und Nutzung präzisieren zu können.

Das Thema

Aus Postnikovs Resümee sei angeführt: „Nach der Revolution wurde die Großmaßstabskartographie durch den zentralisierten Staat fortgesetzt, verstärkt und gipfelte schließlich in der Herrschaft des KGB und in einer besonderen Gesetzgebung […]. Im zweiten Teil der Arbeit wird gezeigt, dass eine solche Entwicklung eine bedeutende Konsequenz für durchschnittliche Nutzer von Landkarten (im Gegensatz zum Militär) hatte. Ihre ‘großmaßstäblichen Landkarten‘ waren nämlich eigentlich vergrößerte Ausschnitte der 1 : 2 500 000-Landkarte der Sowjetunion mit einer besonders verzerrten Projektion.“

[Postnikov 2002] Offensichtlich gab es bei der Zusammenstellung, Veröffentlichung und Nutzung militärischer und anderer als vertraulich eingestufter Informationen drastische Beschränkungen und Überwachungen durch den Staat und dessen spezielle Sicherheitsorgane. Für die DDR, die zum Machtbereich der UdSSR gehörte, war dieses Muster prägend. Die Sowjetisierung war vielfältig und erstreckte sich auf Geographie und Kartographie. Nicht nur Friedrich der Große wusste, dass sich ohne Karten keine Kriege führen lassen.

Für militärische Operationen waren und sind topographische Karten unverzichtbar. Die Wirtschaft kann aber genauso wenig ohne exakte topographische Karten planen und arbeiten. Wie diese oder jene Kartographie – für das Militär bzw. für die Wirtschaft oder andere Nutzer(auch für jedermann?) – zugelassen wird, hängt von der Politik ab. In den eingangs zitierten „Doppelstandards“ drückt sich eine politische Ordnungsvorstellung mit einem spezifischen Sicherheitsdenken und einer korrespondierenden administrativen Organisation (Zentralisierung, Kontrolle und Zensur der Regierung, Unterordnung der zivilen Belange unter die militärischen) aus. Karten bilden ja keineswegs nur nach oder ab, sondern geben Realitäten vor, sie schaffen diese.

Relevant sind nicht bloß Fragen der Geheimhaltung, die diese oder jene Benutzung ausschließt, es geht letztendlich um die Frage der topographischen Karteninhalte, die selbst bei eingeschränkter Nutzung reduziert, überarbeitet, getarnt, verfälscht, ja gefälscht wiedergegeben werden mussten. Für die DDR ist pauschal festzustellen: „Bis 1965 waren die topographischen Karten sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich eingesetzt. Im Sommer 1965 fand in Moskau eine Konferenz der Leiter der Geodätischen Dienste sozialistischer Länder statt, auf der u. a. verschärfte Maßnahmen zur Geheimhaltung geodätischer und kartographischer Daten beschlossen wurden darunter einschneidende Maßnahmen zur Nutzung topographischer Karten.“ [Haack 1996, S. 31] Im Nachfolgenden soll diese Entwicklung im Rückgriff auf unsere Publikation „Kartenverfälschung als Folge übergroßer Geheimhaltung? Eine Annäherung an das Thema Einflussnahme der Staatssicherheit auf das Kartenwesen der DDR“ detailliert und mit extra hierfür ausgewählten Beispielen topographischer Verfälschungen der „Ausgabe für Volkswirtschaft“ belegt werden.

Sowjetisierung der amtlichen DDR-Kartographie


Seit der I. Konferenz der Geodätischen Dienste der UdSSR und der Volksdemokratischen Staaten in Sofia vom 22. Juni bis 1. Juli 1952 stand fest, dass die „Herausgabe topographischer Karten […] nach den in der UdSSR angenommenen Prinzipien“ [BArch, DO 1 15.0 Nr. 54077] zu erfolgen hatte. Das bedeutete, die amtliche Kartographie bis 1959 zu erneuern und „für die Durchführung geodätischer und kartographischer Arbeiten das Referenz-Ellipsoid F. N. Krassowski’s sowie das einheitliche Koordinatensystem der UdSSR vom Jahre 1942“ sowie „als Ausgang für die Höhenrechnungen Null des Kronstädter Pegels anzunehmen.“

Aus dem sowjetischen Vorbild folgte ferner ein striktes Sicherheitsdenken, das die Ausstattung der Volkswirtschaft mit Karten als Planungsgrundlagen behinderte. Manfred Pateisat, der damalige Leiter der Verwaltung Vermessungs- und Kartenwesen (VVK) im Ministerium des Innern (MdI) der DDR, versuchte in Moskau im April 1958 zu klären, „inwieweit der Vertraulichkeitsgrad durch Überarbeitung von großmaßstäblichen Kartenwerken und für einzelne Koordinaten gelockert werden kann.“ Er stieß auf eine strikte Sicherheitsdoktrin: „Die sowjetischen Genossen teilten mit, dass in der UdSSR die topographischen Karten aller Maßstäbe und jede Koordinate des Systems 42 VVS [Vertrauliche Verschlußsache] ist. Sie sind der Meinung, dass diese Maßnahmen in Anbetracht der Situation in der DDR als der am weitesten westlich gelegene sozialistische Staat besonders wichtig ist. Wenn sich eine Überarbeitung von Kartenwerken für verschiedene Zwecke der Volkswirtschaft unbedingt erforderlich macht, muss darauf geachtet werden, dass alle Angaben vertraulichen Charakters entfernt werden.

In der Sowjetunion sind auch die Karten anderer Ministerien VVS.“ [BArch DO1 15.0 Nr. 53627] Um zu verstehen, was von sowjetischer Seite befürchtet wurde, muss man sich ihre globalmilitärische Sicht zur Zeit des Kalten Krieges vergegenwärtigen: „Die amerikanischen Militärs machen z. Z. große Anstrengungen zur Schaffung eines Weltkoordinatensystems. Man müsste die Lage so einschätzen, dass sich derjenige im militärischen Vorteil befindet, der zuerst ein Weltkoordinatensystem aufgebaut hat. Auf Grund dessen und auf Grund der Tatsache, dass von Sputniks aus heute detaillierte Luftaufnahmen gemacht werden könnten, hat sich die Lage seit den letzten gemeinsamen Konferenzen insofern verändert, als heute nicht mehr so sehr die Geheimhaltung des topographischen Details von Bedeutung ist, als vielmehr die Geheimhaltung von Koordinatensystemen.

Natürlich soll das wiederum nicht heißen, dass alle topographischen Details veröffentlicht werden.“ [Ebenda] Der VSCharakter der Karten schloss eine breite Verwendung aus, stellte 1962 die VVK in einem als „Vertraulich“ ausgewiesenen Vorschlag fest. Eine Lösung wäre, ein zweites Kartenwerk zu schaffen, da seitens der Volkswirtschaft nicht alles das gefordert würde, was in den Karten die Militärs für darstellenswert hielten. [BArch, DO 1 15.0 Nr. 30140, S. 3, abgedruckt in Unverhau 2003a als Anlage 3]. Die VVK prüfte in der Folgezeit diese Möglichkeit und konsultierte deswegen Ende November 1963 die sowjetische Hauptverwaltung für Geodäsie und Kartographie [BArch, DO 1 15.0 Nr. 53627, abgedruckt in Unverhau 2003a als Anlage 4]. „Die sowjetischen Genossen empfahlen, so zu verfahren, wie es jetzt in der UdSSR geschieht.

Die Volkswirtschaft schließt an die alten örtlichen Netze an, und es werden ihr die Koordinatenunterschiede im alten System zur Verfügung gestellt.“ [Ebenda] Ein gutes halbes Jahr später schilderte der Leiter des Militärtopographischen Dienstes der UdSSR die beste Lösung so: „ – jedes sozialistische Land hätte sein eigenes System – in jedem einzelnen sozialistischen Land würden wiederum viele Systeme existieren (lokale Netze mit willkürlich angenommenen Punkten bzw. Koordinatenunterschieden) […] – Koordinaten in einem einheitlichen System (System 42) verbleiben zum Gebrauch nur im Bereich der Armeen und der Geodätischen Dienste - topographische Karten mit [dem] Koordinatensystem 42 werden von allen zivilen Organisationen zurückgezogen.“ [Ebenda, abgedruckt bei Unverhau 2003a als Anlage 5] Damit war der Boden für die VII. Konferenz der Geodätischen Dienste der sowjetischen Länder in Moskau vom 15. bis zum 24. September 1965 bereitet. Der Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen und -vorkehrungen entsprachen zwei topographische Kartenwerke, eines für die Landesverteidigung und eines für die Volkswirtschaft.

Erstere sollten topographisch- geodätische und kartographische Materialien „im einheitlichen Koordinatensystem“ [BArch DO 1 15.0 Nr. 54077] enthalten. Abzusetzen davon sind letztere, also „offene großmaßstäbliche Karten und Pläne“ [Ebenda], für die gleichwohl „die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen“ angemahnt wurde. Weil auch spezifische Bedingungen des jeweiligen Landes zu berücksichtigen waren, wurde allen Geodätischen Diensten empfohlen, „die notwendigen Maßnahmen zu[r] weiteren Regulierung der topographisch-geodätischen Arbeiten auf dem Territorium ihrer Länder zu treffen, und diese Regulierung durch entsprechende Beschlüsse der Regierungsorgane formulieren zu lassen.“

Begründung und Prinzipien der Ausgabe für die Volkswirtschaft durch den Beschluss des Nationalen Verteidigungsrats (NVR) der DDR vom 13.10.1965

Unverzüglich wurden diese Vorgaben umgesetzt. Der NVR beriet zweieinhalb Wochen später „Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im Umgang mit geodätischen und kartographischen Materialien“ und beschloss: „II 1. a) Topographische Karten im einheitlichen Koordinatensystem [...] werden nur im Ministerium für Nationale Verteidigung [MfNV], im Ministerium für Staatssicherheit [MfS] und im Ministerium des Innern [...] geführt. [...] 2. Für die Verwendung in der Volkswirtschaft sind topographische Karten als besondere Ausgabe, aus denen die vertraulichen Angaben, wie einheitlicher Blattschnitt, geodätische Netze, trigonometrische Punkte, Qualitäts- und Quantitätsangaben, entfernt sind, zur Verfügung zu stellen.“ [BArch-MilArch, DVW 1 Nr. 39481, abgedruckt bei Unverhau 2003a als Anlage 6] Genaueres über die nichtmilitärischen Karten regelte Abschnitt I: „2. a)

Für die Verwendung in der Volkswirtschaft sind örtliche, rechtwinklig-konforme Koordinaten jeweils bezogen auf einen Bezugspunkt mit den Koordinaten H= 50 000,00 m und R= 50 000,00 m für örtlich begrenzte Gebiete (örtliche Systeme) einzuführen. b) [...] Die Gebietsausdehnung der örtlichen Systeme soll in der Regel 80 km² nicht übersteigen.“

Die „dem Ministerium des Innern unterstellten Beauftragten der Staatlichen Geodätischen Kontrolle [legen] die jeweiligen Bezugspunkte fest“. Was das bedeutete, ist in einem späteren Schreiben der VVK an den Militärtopographischen Dienst (MTD) vom Juli 1981 deutlicher formuliert: „Die Berechnung der Koordinaten für Objekte in den topographischen Karten (AS [nichtoriginärer Zusatz Ausgabe Sicherheit oder Staat]) und (AV) erfolgt nach unterschiedlichen Ausgangswerten.

Ohne Kenntnis der Formeln zur Koordinatentransformation ist die Ermittlung der Koordinaten [...] in den [...] Karten (AS) auf der Grundlage der Koordinaten [...] in den [...] Karten (AV) nicht möglich. Die Formeln sind weder dem Bearbeiter noch dem Nutzer der topographischen Karten (AV) bekannt.“ [BArch, DO 1 15.0 Nr. 52806] Weiterhin hatte der NVR 1965 in Abschnitt II, Punkt 4 festgelegt: „Topographische Karten der Maßstäbe 1 : 5 000 bis einschließlich 1 : 50 000, die sich in Dienststellen, Einrichtungen und Betrieben außerhalb [des MfNV, des MfS oder des MdI, im Original wird auf den oben zitierten Punkt II.1.a verwiesen] befinden, sind [...] einzuziehen und gegebenenfalls durch topographische Karten (Ausgabe für die Volkswirtschaft) zu ersetzen.“

Über die Realisierung dieses NVR-Beschlusses berichtete die VVK am 19. April 1966, dass die am 1. Dezember 1965 begonnene Herstellung von 4 070 Kartenblättern 1 : 10 000 und 352 Kartenblättern 1 : 25 000 der neu geschaffenen „Ausgabe für die Volkswirtschaft“ zum Ende des Monats abgeschlossen sein solle. Für das II. Quartal 1966 sei geplant, insgesamt 107 260 Blätter der topographischen Karte „aus den Bereichen der Volkswirtschaft“ einzuziehen und gegen die Ausgabe für die Volkswirtschaft umzutauschen.

Die VVK und der Militärtopographische Dienst (MTD) erarbeiteten in der Folge gemeinsam Redaktionsanweisungen, wie die Kartenblätter inhaltlich zu überarbeiten waren. Die so genannten „Objekte der Landesverteidigung“ („OVL Bearbeitung“) tarnte der MTD. Aus Platzgründen muss für weitere Einzelheiten auf unsere Publikation verwiesen werden.
Die nachfolgenden Kartenbeispiele – es werden jeweils Ausschnitte der Topographischen Karte der „Ausgabe für die Volkswirtschaft“ gegenübergestellt – bieten einen für sich sprechenden Ersatz.

Beispiele der Verfälschung aus der „Ausgabe für die Volkswirtschaft“

„Nach Sandner sollte zwischen Kartenfälschung und Kartenverfälschung unterschieden werden. Danach werden topographische Karten gefälscht, thematische Karten hingegen verfälscht. Historisch gesehen sind Kartenfälschung und Kartenverfälschung nicht auf die DDR beschränkt. Ihr Ausmaß ist jedoch im deutschsprachigen Raum historisch einmalig. Auf die Unvorstellbarkeit der beiden Phänomene lässt sich schließen, dass moderne Fachwörterbücher und Lexika diese Stichwörter bisher nicht enthalten.“ Obwohl wir im Sprachgebrauch lässiger sind, haben wir aber eingehend den Sachverhalt der „Fälschung“ untersucht und detailliert belegt.

Neuland wurde in der Ermittlung und Auswertung einschlägiger schriftlicher Quellen betreten. Der Beschluss des NVR vom 13.10.1965 wurde erstmals im Kartographie geschichtlichen Zusammenhang publiziert und ausgewertet. Es war nicht nur dem Umstand geschuldet, dass sich dieser Beschluss in Unterlagen der mit der Abwehrarbeit im MdI zuständigen Hauptabteilung VII des Ministeriums für Staatssicherheit fand, dass weitergehende Recherchen angestellt wurden. Die Sicherheitsdoktrin implizierte eine institutionalisierte Seite des Staatssicherheitsdenkens, seit 1959 vom MdI die Zuständigkeit für das Verschlusssachenwesen, also für die Wahrung der Staatsgeheimnisse, darunter die topographischen Karten, auf das MfS übergegangen war.

1962 erließ z. B. der Leiter der besagten Hauptabteilung VII eine „Arbeitsrichtlinie für die politisch operative Arbeit auf der Linie des staatlichen Vermessungswesens der DDR“. Von dieser im MfS-Jargon bezeichneten „Linie Vermessungswesen“ haben wir nicht behauptet, dass sie Landkarten fälschte u. Ä. m. Das brauchte die Staatssicherheit nicht zu tun, weil andere, die sie gegebenenfalls auf „Linie“ hielt, dieses taten. Als Geheimpolizei und Untersuchungsorgan für Staatsverbrechen besaß sie viele Fähigkeiten zur Repression und Zersetzung und weitgehende Überwachungsfunktionen – nicht zuletzt mit Inoffiziellen Mitarbeitern, die ja kein Phantom sind und ihr auch den nötigen Sachverstand zur Beurteilung des Kartenwesens vermittelte, um Einfluss zu nehmen.

Diese Sicht hat nun offensichtlich „Widerstand“ hervorgerufen und die Tatsache verschütten helfen, dass lange vor uns von Fachleuten auf den zugrunde liegenden Sachverhalt und Ausgangspunkt dieser Darlegungen hingewiesen worden ist: „Jedermanns Karte war jederzeit gefälscht“ lautet die Überschrift zu einem Interview mit dem Leiter der Kartenredaktion von H. Haack, Gotha, Helmut Langer, in der Thüringer Allgemeine vom 21. Juni 1990. „ [Zeitung:] Die Tagesschau-Enthüllungen vom Montagabend bestätigten einen lang gehegten Verdacht: DDR-Landkarten wurden systematisch gefälscht.

Sie als Spezialist dürfte das wohl kaum überrascht haben? [Langer:] Nein, das war jedem Kartographen natürlich längst bekannt. Ein offenes Geheimnis, wie man so sagt, über das wir intern seit mehr als 20 Jahren diskutieren. [Zeitung:] Was stimmte denn nicht mit den Karten? [Langer:] Die Karten sollten vermeintlichen feindlichen Kräften nicht jene Information geben, die sie für ihre Zwecke hätten missbrauchen können.

Das ist angesichts heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse ohnehin eine schizophrene Vorstellung – aber das war in der Tat so: Von der Verwaltung Vermessen und Kartenwesen des Ministeriums des Innern bekamen wir stets die gefälschten Karten als Vorlagen für unsere Drucke, und wir erhielten auch jedesmal ganz genaue Anweisungen, was auf den ‚Karten für jedermann‘ wie erscheinen musste.“

Gezeigt wird in einer Abbildung ein Blatt der Topographischen Karte „Ausgabe für die Volkswirtschaft“, erläutert wird dazu:
„Solche Karten mit exaktem Gradnetz gab es in der Vergangenheit nur für Militärs und für die Stasi-Dienststellen“. Es fällt leicht, diese Presseangabe zu berichtigen: Diese Karte reichte an Exaktheit nicht an die Topographische Karte heran, die lediglich das MfNV, das MdI und das MfS benutzen durften. Die Ausgabe für die Volkswirtschaft war, verschämt noch 1992 ausgedrückt, die „abgeleitete“ Karte.

Einer kritischen historischen Betrachtung hält auch folgende Umschreibung nicht stand, die nicht von Kartographen, also auch nicht den Verantwortlichen in der VVK u. a., sondern vom Fach spricht, als vollbrächte es losgelöst von Menschen und deren politischen Einbettungen und übernommenen Zielsetzungen nicht zu hinterfragende Leistungen:
„Die Kartographie der ehemaligen DDR hatte die Aufgabe, für Bevölkerung, Wirtschaft und Armee Karten zu erstellen, die dem jeweiligen Nutzerkreis angepasst waren. Da der Geheimhaltungsgrad einen hohen Stellenwert hatte, standen genaues Kartenmaterial und bestimmte Daten dem Nutzer nur für ausgewiesene Aufgaben zur Verfügung. Viele Leistungen der Kartographie sind deshalb einem breiten Nutzerkreisunbekannt geblieben“.


Was war, ist komplexer und quellenkritischer zu betrachten, bei aller eingestandener Schwierigkeit den „Mantel der Geschichte“, um Leopold von Ranke einzubeziehen, zu fassen zu bekommen!

Quelle: Dagmar Unverhau, Roland Lucht, Horst Henkel, Wolfgang Scholz, Bundesarchiv bzw. Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, Haack Erfried, Sandner Eberhard unter Mitwirkung von Kurze Jutta, Koch Wolf Günther, Schirm Werner, Wilfert Ingeborg, Postnikov, Alexej V.

AK
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
andr.k
 
Beiträge: 4263
Bilder: 0
Registriert: 31. Oktober 2011, 21:56

Re: Kartenverfälschung in der DDR

Beitragvon andr.k » 28. Juli 2013, 23:37

Karte 1.JPG

Karte 1-1.JPG

Karte 2.JPG

Karte 2-2.JPG

Karte 3.JPG

Karte 3-3.JPG

Karte 4.JPG

Karte 4-4.JPG

Karte 5.JPG

Karte 5-5.JPG


AK
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
andr.k
 
Beiträge: 4263
Bilder: 0
Registriert: 31. Oktober 2011, 21:56

Re: Kartenverfälschung in der DDR

Beitragvon pentium » 29. Juli 2013, 07:24

So ein Thema haben wir schon. Siehe unter:
Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

mfg
pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon andr.k » 29. Juli 2013, 09:49

Danke @Pentium, hab es wohl übersehen. Wäre ein Admin dann mal so nett, merci… [wink] pas de problème (AZ)

Andreas
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
andr.k
 
Beiträge: 4263
Bilder: 0
Registriert: 31. Oktober 2011, 21:56

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon Hausfreund » 29. Juli 2013, 20:16

Als Wanderfreund hatte ich seinerzeit meterweise DDR Wanderkarten und Stadtpläne gesammelt; Müll.

Inzwischen ärgert es mich eher, daß die zweckmäßigen TK25 Karten oder aktuelle Wanderkarten häufig immer noch auf diesem Datenniveau sind (also: Wanderschuhe, Kompaß & Notausrüstung wie ehemals). Vermutlich sollte man sich langsam ganz vom Papier verabschieden ...

mfG
Hausfreund
 

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon Hausfreund » 29. Juli 2013, 21:59

Nov65 hat geschrieben:vielleicht kann ich auch ein wenig zum Thema beitragen. Mein Zweitfach war Geografie. Ich habe dieses Fach von Klasse 5 bis 12 in der DDR unterrichtet. Ja, es gab Kartenmaterial (Hängekarten, Atlanten) von der BRD, aber in einem Maßstab, der für genauere Recherchen völlig untauglich war.Weitere Belehrungen waren nicht erwünscht.

Lieber nov65!

Darf ich indiskret fragen, wann ungefähr Du unterrichtest hattest?

Meiner schwachen Erinnerung nach gab es Ende der 50er Jahre in der DDR noch einen relativ ordentlichen Geographie-Unterricht zu Westdeutschland.

Wie sah es übrigens mit dem späteren Geographieunterricht bundesdeutscher Schüler bezüglich Ostdeutschlands aus? Ich befürchte leider: Ähnlich beschissen.

mfG
Hausfreund
 

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon pentium » 1. August 2013, 20:06

Hat zwar nicht unmittelbar etwas mit Wanderkarten aus der DDR-Zeit zu schaffen. Sondern mehr mit dem Hier und Jetzt. Aber weil wir schon bei Wanderkarten sind! Wie entsteht eigentlich so eine Wanderkarte?

Hier wird’s mal erklärt!
http://www.boehmwanderkarten.de/werksta ... _main.html

PS. Für die sächsische Schweiz verwende ich fast nur Böhmkarten.

mfg
pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Straßenkarten, Wanderkarten, Atlanten in der DDR

Beitragvon andr.k » 2. August 2013, 08:54

Interessant, pentium.

Für unsere Rad/Wandertouren bevorzugen wir die Karten von Kompass. Aktiv Guide, GPS genau und im Maßstab 1:50 000, was brauch man noch mehr.

Link ---> http://shop.kompass.de/kompass-karten/w ... 21795.html

Andreas
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
andr.k
 
Beiträge: 4263
Bilder: 0
Registriert: 31. Oktober 2011, 21:56

Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon augenzeuge » 8. Oktober 2017, 18:01

Wer zu DDR-Zeiten als Besucher in Lauterbach am Hafen stand, hat sich vermutlich verwundert die Augen gerieben: Hier im Südosten Rügens war etwa drei Kilometer entfernt eine weitere Insel zu sehen, ein flaches, bewaldetes Landstück, zweieinhalb Kilometer lang, schmal. Auf der Karte gab es diese Insel nicht. Stattdessen waren wellenförmige Linien eingezeichnet als Zeichen für Wasser. Vielleicht hatte der Besucher Glück und ein Einheimischer kam vorbei und klärte ihn auf: Dass er richtig sehe, dass dort eine Insel läge mit Bäumen, von denen manche mehrere hundert Jahre alt seien, dass die Insel Vilm heiße. Und vielleicht hätte er sogar erfahren, dass die Insel seit 1959 für Besucher gesperrt war, weil dort die oberste Riege der DDR-Politiker urlaubte, unter anderem die Staatschefs Erich Honecker und Walter Ulbricht.

Tatsächlich musste die Druckerei in Putbus, die die Wanderkarte der Insel Rügen druckte, nach einem Hinweis „von oberster Stelle“ die Insel Vilm aus der Karte entfernen. „Du kannst dir sicher denken, weshalb...“, soll der SED-Kreisleiter dem Genossen in der Druckerei damals, 1967, gesagt haben. Den Anwohnern erzählte man, die Insel wäre aus Naturschutzgründen gesperrt. Die wussten es freilich besser.

Was auf der Insel auffällt, ist die Stille. Man wird sofort gefangen genommen von dieser grünen Idylle, die freilich zwiespältig ist. Hier, wo die Wellen sanft plätschern und der Wind sachte weht, urlaubten also die Menschen, die den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze verantworteten, die mithilfe der Stasi dafür sorgten, dass keiner mehr frei sprechen konnte und die auch vor körperlicher und psychischer Folter in den berüchtigten Stasi-Gefängnissen nicht zurückschreckten....

Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ - weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/gel ... 09381.html

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84414
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon Volker Zottmann » 8. Oktober 2017, 18:46

Ähnlich abgeschirmte Flecken gab es auch in Naturschutzgebieten an der Müritz.
Selbst simple Jagdhütten, zu DDR-Zeiten neu gebaut, standen für Kreis- und Bezirksleitungen abgesperrt bereit. Auch oberhalb Thale/Harz konnte nicht jeder wandern wie er wollte. Das regte in der grauen tristen DDR niemanden mehr auf. Abgestumpft war sie die Herde der Eingesperrten, oder? [ich auch]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon steffen52 » 8. Oktober 2017, 19:13

Bin vor 3 Jahren auf der Insel Vilm gewesen. Musste mich aber im Vorfeld anmelden, da es nur mit Führung geht und pro Tag nur 30 Personen die Insel betreten dürfen, da die Insel unter Naturschutz steht.
Ist alles Natur pur, der Wald ,der Strand. [super] Die Häuser der SED-Genossen stehen alle noch und unser Begleiter hatte vieles darüber zu erzählen. Ich habe ihn dann mal auf sein Wissen angesprochen und er erzählte mir
das er zum damaligen Wachpersonal gehört hat. Auch das Schiff( die Julchen) ist noch das Schiff gewesen welche die Bonzen von damals rüber schipperte und das ist das einzige was dort anlegen
darf. Die anderen Schiffe machen nur Inselrundfahrten um die Insel Vilm. Würde sagen wer demnächst Urlaub auf Rügen macht, der sollte sie sich mal anschauen.
Gruß steffen52
"Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen!"
Friedrich Schiller
Benutzeravatar
steffen52
 
Beiträge: 14274
Bilder: 0
Registriert: 19. Februar 2015, 21:03

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon pentium » 8. Oktober 2017, 19:49

steffen52 hat geschrieben:Bin vor 3 Jahren auf der Insel Vilm gewesen. Musste mich aber im Vorfeld anmelden, da es nur mit Führung geht und pro Tag nur 30 Personen die Insel betreten dürfen, da die Insel unter Naturschutz steht.
Ist alles Natur pur, der Wald ,der Strand. [super] Die Häuser der SED-Genossen stehen alle noch und unser Begleiter hatte vieles darüber zu erzählen. Ich habe ihn dann mal auf sein Wissen angesprochen und er erzählte mir
das er zum damaligen Wachpersonal gehört hat. Auch das Schiff( die Julchen) ist noch das Schiff gewesen welche die Bonzen von damals rüber schipperte und das ist das einzige was dort anlegen
darf. Die anderen Schiffe machen nur Inselrundfahrten um die Insel Vilm. Würde sagen wer demnächst Urlaub auf Rügen macht, der sollte sie sich mal anschauen.
Gruß steffen52


Interessante Seite zur Insel
http://www.365sterne.de/admirals_sailin ... /doku.html

Wobei, das ist doch alles nichts neues, was da die Augsburger Allgemeine schreibt, schon ELF99 war in den Wendetagen auf der Insel, es gibt mehrere Dokus über Vilm zu DDR-Zeiten...

....
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon steffen52 » 8. Oktober 2017, 20:01

http://www.mdr.de/zeitreise/video239316.html
Schon wie Pentium schrieb, gibt es einen Film von ELF99, die zur Wendezeit mal nachfragen, was es mit der Insel Vilm Aufsicht hat.
Gruß steffen52
"Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen!"
Friedrich Schiller
Benutzeravatar
steffen52
 
Beiträge: 14274
Bilder: 0
Registriert: 19. Februar 2015, 21:03

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon pentium » 8. Oktober 2017, 20:14

Übrigens ganz in der Nähe von Vilm befand sich eine Entmagnetisierungsstation für Schiffe und Bote der Volksmarine.
http://www.nva-forum.de/nva-board/index ... topic=4220

...
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon Beethoven » 9. Oktober 2017, 13:47

Diese Geschichte, dass es bestimmte Orte auf den Landkarten der DDR nicht gab, kann ich nur in soweit bestätigen, dass nicht jeder Bürger wissen mußte, wo z.B. Truppenübungsplätze oder andere, nicht für jeden Bürger "wissenswerte" Objekte lagen.

Da ging es aber nicht um Inseln, wenn diese denn groß genug waren um auf Karten zu erscheinen oder entsprechende Orte.

Vilm war ja nun mal ein kleine Insel, auf der unter anderem Seuchenforschung betrieben wurde. Und da wollte man kein Tourismus haben.

Im ganz normalen Straßenatlas der DDR vom VEb Tourist Verlag von 1988, S. 21 C sieht man die Insel Vilm
und im geographischen Weltatlas von VEB Hermann Haack von 1985, S. 20 1D, ist die Inselm Vilm auch erwähnt, jedoch aufgrund des Maßstabes, nicht als Insel eingezeichnet.

Was sollen also diese Unwahrheiten?
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
Benutzeravatar
Beethoven
 
Beiträge: 4285
Bilder: 0
Registriert: 6. August 2014, 08:27

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon Beethoven » 9. Oktober 2017, 13:52

Hier der zweite Beweis
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
Benutzeravatar
Beethoven
 
Beiträge: 4285
Bilder: 0
Registriert: 6. August 2014, 08:27

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon HPA » 9. Oktober 2017, 13:56

Vilm war ja nun mal ein kleine Insel, auf der unter anderem Seuchenforschung betrieben wurde. Und da wollte man kein Tourismus haben.


Auf Vilm haben Honi und Konsorten höchstens ihre Rüsselseuche auskuriert. [flash]

Tierseuchenforschung wurde auf der Insel Riems durchgeführt.
HPA
 

Re: Die verbotene Insel: Warum die DDR Vilm von den Karten tilgen ließ

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2017, 15:40

Seuche? Beethoven, ja willst du uns denn erzählen, Honecker urlaubte auf einer Seucheninsel? [laugh]

Margot und Erich wohnten jedenfalls im Haus Nr. 2. Da kannst du machen was du willst. Definitiv trugen sie auch niemals Seuchenschutzkleidung. [grins]

Und niemand hat behauptet, dass sie nicht als Punkt im Weltatlas fehlte...Fakt ist folgendes:
Am Dienstag, den 9. Mai, klingelte in der Buchdruckerei Jokiel im Städtchen Putbus auf Rügen das Telephon. Am Apparat: Der Sekretär der SED-Kreisleitung für Agitation in Bergen. „Hör mal, Genosse“, erläutert er dem Treuhänder der Druckerei, „wir haben euren Druckvorschlag für die Wanderkarte der Insel Rügen mit einer Ergänzung gebilligt. Die Insel Vilm muß raus! Wir bekamen einen Hinweis von oberster Stelle, Du kannst Dir sicher denken, weshalb ...“


Beethoven liebt die Wahrheit...stimmts?

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84414
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

VorherigeNächste

Zurück zu Arbeiten und Freizeitgestaltung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste