West-Berlin in den 60ern - eine ZeitreiseHeinz Noack zieht 1963 mit der Kamera los, er dokumentiert die westliche Hälfte Berlins nach dem Mauerbau. Hier zeigen wir eine Auswahl seiner Farbbilder. Dazu beschreibt ein Tagesspiegel-Redakteur die Stadt seiner Kindheit. Stuttgarter Platz: Die Gegend galt in den 60er Jahren als Nachtschwärmerviertel, wovon die „Leila Tanz-Bar“ zeugt Ebenfalls im Jahr 1963 nahm sich der Senatsmitarbeiter Heinz Noack vor, „seine Stadt“ mit dem Fotoapparat zu dokumentieren. Er zog von Wilmersdorf aus los, seine Stadt war auch meine, und es handelte sich zwangsläufig nur um die halbe. Sie endete ringsum an der Mauer, die zwei Jahre zuvor errichtet worden war.
Noack begann sein Vorhaben an einem Sonntag im Spätsommer. Jahrzehnte später hat sein Enkel aus tausenden Aufnahmen 180 Fotos für einen Bildband ausgewählt. Vielleicht wurden Noacks Bilder bearbeitet, man sieht auf ihnen nie eine Wolke. Vielleicht zog er aber auch einfach nur bei schönem Wetter los: Über Noacks West-Berlin scheint immer die Sonne. Der Himmel ist blau, die Stadt keineswegs schwarz-weiß. Auch wenn man für den Putz der Häuser damals offenbar nur zwei Farben zur Auswahl hatte: Grau oder Braun.
Unser Haus war von hellem Braun, im Putz klebten kleine Steinchen, die ich als Kind gern herauspolkte. Auch die Autos wurden damals in erheblich weniger Farben ausgeliefert. Den Käfer Jahrgang 1963 gab es standardmäßig nur in „Jupitergrau“ und „Riedgrün“, gegen Aufpreis bekam man ihn allerdings unter anderem auch in „Türkis“ oder „Rubinrot“.
In seinem Vorwort zu diesem Bildband schreibt Heinz Noacks Enkel, Tobias Hellmann, in West-Berlin lebte man zwei Jahre nach dem Mauerbau mit dem Gefühl, eingesperrt zu sein. Kann sein, dass das so war, doch als Kind merkte ich davon nichts. Obwohl ich nur ungefähr einen Kilometer von der Grenze entfernt aufwuchs, die bei uns durch den Teltowkanal markiert wurde. Außer, dass man mir einschärfte, auf keinen Fall dort ins Wasser zu fallen, weil nicht ganz sicher wäre, ob Helfer aus dem Westen mich wieder rausfischen dürften. Der Kanal gehörte wohl schon „dem Osten“.
Im täglichen Leben nahm ich die Grenze nicht wahr, trotz des vielen Stacheldrahts und selbst wenn ich direkt davorstand. Daran änderten nicht einmal die großen Plakate etwas, sie standen auch am Teltowkanal, auf denen man der Gegenseite die eigenen Erfolge vorhielt. Drüben stand irgendwas von Planerfüllung, ich meine mich daran zu erinnern, dass bei uns darauf hingewiesen wurde, wie viele VW-Käfer schon vom Band gelaufen waren. Übrigens ab 1963 auch mit Stahlschiebedach, der auf dem Bild vom Stuttgarter Platz oben hat noch keins.
Mehr Text und Fotos gibt es hier:
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaf ... 22770.html