Tonaufnahmen von politischen Prozessen im Stasi-Unterlagen-Archiv
1. Quellenwert und Überlieferungsformen
2.Die Tonüberlieferung im Stasi-Unterlagen-Archiv
3.Aufzeichnungen von Strafprozessen im Stasi-Unterlagen-Archiv
4.Möglichkeiten und Grenzen einer erweiterten Analyse von Prozessen
5.Die Richter und ihre Verhandlungsführung
6.Fazit
Anmerkungen
Roland Freislers sich überschlagende Stimme im Volksgerichtshof, die beklemmende Atmosphäre im Nürnberger Gerichtssaal während des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher, Adolf Eichmann vor Gericht in Jerusalem: Töne und Bilder einiger besonders bedeutender Strafprozesse sind der Öffentlichkeit vertraut. Doch entstanden die Ton- und Filmaufnahmen nur in Ausnahmefällen und bereits mit Blick auf die Öffentlichkeit. Dies gilt für die Schauprozesse der NS-Diktatur, die für die mediale Verbreitung inszeniert wurden,[1] ebenso wie für die Nürnberger Prozesse, bei denen die Dokumentation zur Aufklärung über die Verbrechen und zur Demonstration rechtsstaatlicher Verfahren diente.[2]
Für Deutschland stellen diese herausragenden Beispiele Ausnahmen dar: Bild- und Tonaufzeichnungen aus bundesdeutschen Gerichten gibt es im Regelfalle nicht. 1964 wurden sie sogar gesetzlich untersagt, und auch aus den Jahren zuvor sind nur wenige überliefert.[3] Wenn doch Mitschnitte gefertigt wurden – in der Regel allein als Hilfe für die Protokollanten oder als Gedächtnisstütze für die Richter –, haben diese nur selten den Weg in die Archive von Bund und Ländern gefunden. Meist ließen die Gerichte die Tonbänder nach Abschluss des Prozesses vernichten. In wenigen Fällen und oft begünstigt durch den Zufall sind historisch bedeutsame Tonaufnahmen auf Dauer gesichert worden.
Dies gilt für die umfangreich überlieferten Aufnahmen aus dem ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963–1965), die durch Bemühungen von Opfer-Organisationen vor der bereits geplanten Vernichtung bewahrt wurden.[4] Aber auch die nur fragmentarischen Tonaufzeichnungen aus dem Prozess gegen die Mitglieder der Roten Armee Fraktion in Stuttgart-Stammheim (1975–1977) haben reges Interesse von Forschung und Medien hervorgerufen.[5] Weitere Tonaufnahmen aus Strafprozessen harren noch der Entdeckung und Auswertung in den staatlichen Archiven der Bundesrepublik.[6]
Vielfältiger ist die Überlieferung aus der DDR: Politische Strafverfahren inszenierte der ostdeutsche Staat gezielt als Schauprozesse. Aber auch nicht-öffentliche Verfahren wurden zum Teil auf Band aufgezeichnet und archiviert. Anhand der im Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) erhaltenen Tonaufnahmen von Strafprozessen mit politischem Hintergrund[7] sollen im Folgenden das Potential und die Aussagekraft dieser Quellen betrachtet werden.
Ausgelöst durch eine Debatte um die Dokumentation des Münchner NSU-Prozesses[8] hat der Deutsche Bundestag am 22. Juni 2017 eine Neuregelung beschlossen: Künftig können »Tonaufnahmen der Verhandlung […] zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt«. Die Aufnahmen müssen den zuständigen staatlichen Archiven angeboten werden; dort werden sie nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfristen für die wissenschaftliche Auswertung bereitstehen.
Den interessanten Bericht und diverse Tonbandaufnahmen aus Prozessen findet man hier:
https://zeithistorische-forschungen.de/1-2018/id=5565