Ostdeutsche im Gulag

Ostdeutsche im Gulag

Beitragvon Nostalgiker » 30. Oktober 2022, 08:34

Ein oft vergessenes Kapitel DDR-Geschichte
Sie sind großteils vergessen: Ostdeutsche wie Johannes Krikowski wurden in sowjetische Arbeitslager verschleppt. Sein Sohn betreibt Aufarbeitung. Ein Treffen.

„In der DDR durftest du nicht darüber reden, im Westen interessiert es keinen.“ Das sagt Stefan Krikowski, während er von der Geschichte seines 2007 verstorbenen Vaters erzählt. Johannes Krikowski wurde 1952 als junger Student der Zahnmedizin zu 25 Jahren Haft im Arbeitslager Workuta verurteilt. Die russische Stadt liegt im Ural, 100 Kilometer über dem nördlichen Polarkreis.

Sein Vergehen? Der 21-Jährige hatte freie und geheime Studentenratswahlen an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät gefordert und war zudem ein bekennender Christ. „Er wurde im Studentenwohnheim gefragt: Was macht die Bibel auf deinem Schreibtisch? Da müssen doch die blauen Bände liegen“, erzählt sein Sohn. „Mein Vater war zunächst in der FDJ, er hoffte auf einen Neuanfang nach dem katastrophalen Nationalsozialismus. Aber als KPD und SPD 1946 zur SED zwangsvereinigt wurden, merkte er: Hier wird eine neue Diktatur errichtet.“

Was Krikowski widerfuhr, war kein Einzelschicksal. Knapp 40.000 Deutsche wurden zwischen 1945 bis 1955 vor sowjetischen Militärtribunalen verurteilt. Das ehemalige KZ Sachsenhausen in Oranienburg diente für 16.000 SMT-Verurteilte als Haftlager. Viele wurden in nordsibirische Gulags deportiert, manche Schätzungen gehen von bis zu 25.000 Opfern aus. „Aber wer weiß in Deutschland schon davon?“, fragt Stefan Krikowski. Er dokumentiert heute Geschichten Deutscher, die wie sein Vater als politische Gefangene im Arbeitslager Workuta waren. Dafür hat er 2020 die Bundesverdienstmedaille erhalten. Doch das gesellschaftliche Bewusstsein über Verbrechen in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone fehlt. Und die jüngsten lebenden Zeitzeugen werden nun 90 Jahre alt.

Weiter mit diesem sehr interessanten Artikel zu einem in der DDR verschwiegenen Thema geht es hier

Der geschilderte Fall trug sich 1951 zu als die DDR bereits gut zweieinhalb Jahre existierte.
Was mir nicht in den Kopf will ist der folgende Fakt das sich die Besatzungsmacht in der DDR aufspielte wie die eigentlichen Hausherren und die angeblichen Spione, Diversanten und Volksfeinde von den deutschen Behörden entweder dem sowjetischen KGB übergeben wurden bzw. gleich vom KGB verhaftet wurden.
Eine ausländische Macht schaltete und wallte in einem fremden Land wie im eigenen.
Auch die Verurteilungen erfolgten nach sowjetischen Strafrecht und zwar hauptsächlich nach dem berüchtigten Paragrafen §58 des sowj. Strafgesetzbuches.
Aus heutiger Sicht ein Unding ohne gleichen.

Allerdings muß ich einschränken das damals die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung über diese Art der "brüderlichen Hilfe" durch die Strafverfolgungsorgane der SU nicht bescheid wußten und wenn sie etwas ahnten doch lieber über diese Thematik geschwiegen haben.
Sonst hätte es ihnen ebenfalls passieren können das sich sich auf einmal im eisigen Norden oder in den weiten Sibiriens wiedergefunden hätten, jedenfalls bis 1953.

Ebenfalls interessant ist die im Beitrag verlinkte Webseite: https://www.workuta.de/index.html auf der sich, speziell zu Workuta, etliche Biografien von in der Zeit nach 1945 bis 1953 verhafteter und dorthin verschleppter Menschen aus der SBZ/DDR befinden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auf eine PDF welche sich mit den "Rechtsgrundlagen der Verfolgung deutscher Zivilisten durch Sowjetische Militärtribunale" beschäftigt.
Ist interessant zu lesen, allerdings in einem sehr trockenen 'Juristendeutsch' geschrieben, aber es lohnt sich allemal auch diese PDF aufmerksam zu lesen da sich daraus die Erkenntnis gewinnen lässt dass das agieren der Sowjetischen Militärtribunale in der ostdeutschen Besatzungszone und darüber hinaus bis 1955 in der DDR jeglicher Rechtsstaatlichkeit vermissen ließ.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Ostdeutsche im Gulag

Beitragvon pentium » 30. Oktober 2022, 13:24

Das ungute Schweigen
Die DDR-Aufbaujahre: »Und der Zukunft zugewandt« erzählt von einer aus sowjetischer Lagerhaft entlassenen Kommunistin
https://www.nd-aktuell.de/artikel/11253 ... eigen.html

Im Mittelpunkt stehen drei deutsche Frauen, die nach mehr als zehnjähriger Haft in sowjetischen Gulags freikommen, über das Erlittene jedoch schweigen müssen. Den Anstoß, sich mit diesem in der DDR tabuisierten Thema zu beschäftigen, erhielt Böhlich durch die Begegnung mit der Schauspielerin Swetlana Schönfeld im Jahr 1988. Dem Schicksal ihrer Mutter ist die Filmgeschichte der Protagonistin Antonia Berger nachempfunden, speist sich aber laut Vorspann auch aus Berichten und Gesprächen mit weiteren Zeitzeugen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Und_der_Zukunft_zugewandt

Denn in einer Szene konkurrieren zwei kommunistische Opfer-Erzählungen erbittert: Nachdem Antonia ihr Schweigegelübde gebrochen hat, wird sie von der Staatssicherheit abgeholt; ihr Vernehmer ist ein ehemaliger KZ-Häftling, der nicht akzeptieren kann, dass die „große Sache“ und mit ihr die Sowjetunion schlechtgemacht wird. Dass die Wahrheit heute nicht nur in dem besteht, was einer „Sache“ dient, ist kein geringes Gut der Demokratie. Nach diesem Film weiß man das sicher.
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

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Re: Ostdeutsche im Gulag

Beitragvon Nostalgiker » 30. Oktober 2022, 16:31

@Pentium, leider passt der Film "Und der Zukunft zugewandt" vom Ausgangspunkt nicht so richtig zu den von mir im Eröffnungsbeitrag formulierten Ereignissen.

Der Film behandelt zwar das Schicksal einer Gruppe von deutschen Frauen, genau drei Überlebende einer politischen Kabaretttruppe, die in der SU unter fadenscheinigen Bedingungen in der Zeit des großen Terrors zu mindestens 10 Jahren Lager verurteilt wurden und 1947 nochmal "Nachschlag erhielten. Die Gruppe war vor 1933 ! in die SU emigriert und sie lebten bis zu ihrer Verhaftung als offiziell anerkannte Emigranten in der SU.
Im Gegensatz zu den Deutschen die nach 1945 in Deutschland durch die sowjetischen Militärtribunale zu Lagerhaft in der SU verurteilt wurden waren die in der SU Verurteilten Kommunisten und von der Sache des Sozialismus/Kommunismus überzeugt. Im Gegensatz zu den in Deutschland verurteilten die wohl mehr oder minder eine ablehnende Haltung gegenüber den propagierten Zukunftsaussichten hatten.
Auch kamen die Frauen nicht 1955 im Zuge der Verhandlungen von Adenauer mit der Führung der SU frei sondern wie im Film dargestellt [fiktiv?] auf persönliche Intervention von Wilhelm Pieck der dazu wiederum von seinem Sohn gedrängt wurde.

Das die Frauen, genauso wie die 1955 entlassenen Häftlinge ,über ihre Erlebnisse im Lager nicht berichteten, die Einen weil es ihnen nahegelegt wurde, die Anderen weil es hauptsächlich im Westen wohin sie ausreisten niemanden wirklich interessiert hat ist nun wieder die Gemeinsamkeit welche beide Gruppen eint.

Zur Zeit kann der Film bei Netflix gestreamt werden.
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Re: Ostdeutsche im Gulag

Beitragvon Spartacus » 30. Oktober 2022, 18:13

Was mir nicht in den Kopf will ist der folgende Fakt das sich die Besatzungsmacht in der DDR aufspielte wie die eigentlichen Hausherren und die angeblichen Spione, Diversanten und Volksfeinde von den deutschen Behörden entweder dem sowjetischen KGB übergeben wurden bzw. gleich vom KGB verhaftet wurden.
Eine ausländische Macht schaltete und wallte in einem fremden Land wie im eigenen.


Nun ja, du hast es ja schon geschrieben. Besatzungsmacht. Und die SMAD hatte die Macht und übte sie auch aus. [smile]

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