Zusammenfassung..Worauf lassen sich die aufgezeigten Gemeinsamkeiten und Unter-schiede im Justizwesen beider Diktaturen zusammenfassend zurück-führen? Die Parallelen ergaben sich so gut wie nie aus einer di-rekten Kontinuität, da die braune Diktatur eben nicht bruchlos in die rote Diktatur mündete. Aus der Instrumentalisierung der Justiz für die politischen Absichten der Regime ergaben sich vielmehr funktionale Äquivalente: Die Tendenzen zur Zentralisierung, die Umgestaltung des Prozeßrechts unter Stärkung der Staatsanwalt-schaft und Benachteiligung des Beschuldigten, der Abbau rechts-staatlicher Garantien und die Einrichtung von Sondergerichten und Sonderstrafkammern sind hier ebenso zu nennen wie die intensi-vierte Steuerung der Justiz. Dabei handelt es sich freilich um Charakteristika, die fast alle tendenziell totalitären Diktaturen, und nicht nur die DDR und das Dritte Reich kennzeichnen.
Die Un-terschiede lassen sich im wesentlichen auf die Ausgangssituation und die Existenzbedingungen beider Systeme zurückführen. Das NS-Regime kam auf "legale" Weise an die Macht, unter weitgehender Zu-stimmung der Bevölkerung und der traditionellen Eliten, und konnte aufgrund seiner politischen Erfolge den inneren Konsens festigen. Dies wirkte sich in zweierlei Hinsicht auf Recht und Justiz aus. Zum einen konnte das Dritte Reich auf die Loyalität der mehrheit-lich antidemokratisch eingestellten Juristenschaft zählen und den traditionellen Justizapparat sowie die Juristenausbildung im we-sentlichen unverändert lassen. Zum anderen mußte es nicht befürch-ten, durch offene Eingriffe in die Gesetzgebung und durch den Aus-bau der Polizeikompetenzen auf Kosten der Justiz die Zustimmung der Bevölkerung zu verlieren; die doppelstaatliche Struktur trug vielmehr zur Erhaltung der gesamtgesellschaftlichen Stabilität bei. Die Diktatur in der DDR ging hingegen aus der sowjetischen Besatzungsherrschaft hervor und blieb bis zu ihrem Untergang von der östlichen Hegemonialmacht abhängig. Im Unterschied zum Dritten Reich beruhte die DDR kaum auf dem Konsens ihrer Bürger.
Dies war der herrschenden Staatspartei durchaus bewußt und hatte erhebliche Konsequenzen für das Rechts- und Justizwesen, das dazu neigte, den Unrechtscharakter zentraler Normen des politischen Strafrechts und die Eingriffe außerjustitieller Instanzen zu verschleiern. Ein Maßnahmestaat wie unter dem Nationalsozialismus konnte sich daher in dieser Form nicht etablieren; die verdeckte Repression des MfS in den Jahren nach dem Mauerbau stand zwar auch außerhalb der Ge-setze, konnte sich aber nie so entfalten wie das Terrorregime des Dritten Reiches, das in der DDR ohne Parallele blieb. Als zweite wesentliche Ursache für die Unterschiede zwischen dem Justizwesen des Dritten Reiches und der DDR sind die sowjetischen Einflüsse anzuführen, die nicht nur die Richtung der Justizpolitik vorgaben, sondern auch zu einschneidenden Änderungen bei der Justizorganisa-tion und bei zentralen Justizgesetzen führten. Im Hinblick auf das Ausmaß der Strafverfolgung blieb die DDR jedoch gegenüber der So-wjetunion der Stalin-Ära weit zurück. Die DDR war eben kein "ho-munculus sovieticus"; die Systemkonkurrenz zwischen Ost- und West-deutschland, die ungelöste deutsche Frage und die vorangegangenen Schrecken der NS-Diktatur zählten ebenso zu ihren Existenzbedin-gungen wie die Abhängigkeit von der Sowjetunion. All dies änderte nichts an dem tendenziell totalitären Charakter des Systems, be-schränkte aber das Ausmaß der Repression durch das Justizwesen...
Wer den langen Beitrag von Prof. Dr. Hermann Wentker vollständig lesen möchte, kann das hier tun:
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