Lothar Heinke: Leben in 3 deutschen Systemen

Themen zur deutschen Nation während der Teilung

Lothar Heinke: Leben in 3 deutschen Systemen

Beitragvon augenzeuge » 12. Mai 2019, 18:51

Lothar Heinke, Reporter aus Ost-Berlin, erinnert sich. Unterwegs mit Honecker, Gorbatschow und Louis Armstrong: Reporter Lothar Heinke, 84, lebte in drei Gesellschaftssystemen. Hier schreibt er seine Geschichte auf....

„Unsere Menschen“ zwischen Ostsee und Fichtelberg haben bis heute nicht vergessen, mit welchen Phrasen sie abgespeist wurden. Sind sie deshalb so kritisch gegen Geschwätz ohne Inhalt? Der DDR-Mensch war ja im Prinzip nicht doof, er war pfiffig, aufgeschlossen, interessiert, fleißig, hilfsbereit und schlagfertig. Manchmal aber auch naiv und gläubig: Für diese Menschen hatte die Partei immer Recht, basta.


Die Mikrobe der menschlichen Dummheit begann zu arbeiten. Schulräte und Parteifunktionäre erschienen zu hochnotpeinlichen Verhören („Was halten Sie von der Freundschaft zur Sowjetunion? Wie stehen Sie zu unserem Arbeiter- und Bauern-Staat?“ und solche Sachen). Mitschüler wurden relegiert, andere, auch ich, auf Heimoberschulen in andere Städte abgeschoben, „da die elterliche Erziehung nicht ausreicht, aus dem Heinke einen sozialistischen Menschen zu machen“.


„Durch die Veröffentlichungen haben Sie das Befremden großer Teile der demokratischen Öffentlichkeit hervorgerufen.“ Bis ins Kino sind mir dann die Herren mit den schwarzen Henkeltäschchen nachgeschlichen, und vor dem Kreistag sollte ich mich „verantworten“. Ist doch nur ein Spaß, hab ich wohl gesagt. „Nein, dies ist die Sprache der ungarischen Konterrevolution“, schrie der 1. Sekretär der Kreisleitung der SED in den Saal.


Erst nach der Wende wurde jedem klar, dass ihm die Politik der ewig rechthaberischen Partei im abgeschotteten Terrarium DDR Weitsicht, wahre Weltanschauung, Erlebnisse, Abenteuer und die Erfahrungen der Schönheit des Fremden und Fernen vorenthalten hatte.


Aus seiner Stasiakte:

„Nach inoffiziellen Einschätzungen ist Obengenannter sehr kontaktfreudig und unterhält eine Vielzahl von Verbindungen, insbesondere zu weiblichen Personen. Es wird vorgeschlagen, die weitere Aufklärung der Verbindungen des H. mit der HA XX/1 zu koordinieren.“ (10.9.1985)

„Sein Aufgabengebiet als Abteilungsleiter umfaßt das Ressort „DDR-Mosaik“. In seiner Arbeitsdurchführung zeigt er sich äußerst agil, fleißig und vielfältig einsatzbereit. Charakterlich neigt er zur Oberflächlichkeit und Unzuverlässigkeit.“ (5.2. 1986)

„Die Gründe für die Einleitung der OPK bestanden darin, daß Heinke eine Reihe von Verbindungen und Kontakte ins NSA unterhält, deren Charakter nicht geklärt ist. Unter diesen Kontakten finden sich u.a. ehemalige DDR-Bürger, die in der BRD bzw. West-Berlin journalistisch tätig sind.“ (15.7.1988)


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Wer etwas über das Leben in der DDR erfahren will, muss das lesen!
https://m.tagesspiegel.de/berlin/nazi-d ... 25244.html
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Re: Lothar Heinke: Leben in 3 deutschen Systemen

Beitragvon augenzeuge » 12. Mai 2019, 18:56

Heinke...
Die DDR war ein irgendwie komisches Land, voller Widersprüche. Die Ideologen und Bürokraten beherrschten das Leben zwischen Anpassung und Gefahr. Und da war diese Minderheit der Stasi, die glaubte, die Mehrheit von fast 18 Millionen Landsleuten fest im Griff zu haben. Was hat deutsche Volks-Genossen in zwei Systemen eigentlich dazu bewogen, Mitmenschen anzuschwärzen („zu melden“), weil sie politisch anderer Meinung waren?


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