Kunst gegen Valuta kannte keine Kompromisse in der DDR

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Kunst gegen Valuta kannte keine Kompromisse in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 20. Mai 2011, 09:14

Wie schuldig machte sich das MfS und KoKo am Verscherbeln von DDR-Kulturgut?

Unglaublich: Selbst aus der „Zentralbibliothek der deutschen Klassik“, der heute rückbenannten Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar, wurden rund 20 000 Bände zum West-Verkauf aussortiert!

Der private Kunsthandel wurde in der DDR nahezu völlig ausgeschaltet, Sammler drangsaliert. Die Vorgehensweise war immer gleich. Zunächst wurde ein Vergehen – „Verbrechen“, wie es offiziell hieß – gegen die Zoll- und Devisengesetzgebung der DDR konstruiert, indem privater Kunsterwerb als „illegaler Antiquitätenhandel“ kriminalisiert und mit Steuern von bis zu 96 Prozent belastet wurde.

Da die Schätzung nach Westmarkt-Preisen zugrunde gelegt wurde, ergaben sich astronomische „Gewinnspannen“ für die Sammler, die sie jedoch niemals realisiert hatten. Aufgrund dieser fiktiven Werte, praktischerweise von Stasi-Mitarbeitern und nicht von unabhängigen Gutachtern „ermittelt“, wurde die Steuerschuld festgelegt. Da die Beschuldigten sie nur selten bar begleichen konnten, wurden die Objekte eingezogen. Einspruch gegen die Verfahren war unmöglich; die DDR kannte keine Verwaltungs- und keine Finanzgerichtsbarkeit.
(aus tagesspiegel)

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Re: Kunst gegen Valuta kannte keine Kompromisse in der DDR

Beitragvon Affi976 » 20. Mai 2011, 09:27

@AZ,
sicher geht es in Deinem Eingangsbeitrag um eine andere Ebene des Kulturgutverscherbelns und um eine sehr perfide noch dazu.
Nun lass uns doch mal in die Gegenwart kommen. Geht es nicht in beiden Fällen, also Ost und West nur darum "Kohle zu machen"??????
Auch heute wird Kulturgut verscheuert, nur oftmals "für`n Appel und`n EI".
Auch heute gehts wieder nur um den Erhalt der Stadt, der Länderfinanzen des Machterhalts.
Da gibt es viele Beispiele, die für mich und dem interessierten Großteil der Menschen einfach nur kriminell sind.
In Weimar:
Jeder kennt das "Haus der Frau von Stein".
Ein absolutes Kleinod mitten in Weimar. Sanierungsbedürftig. Im Besitz von Weimars Klassikstiftung- gewesen.
Weil man keine Kohle hat es zu sanieren, wird es eben mal einfach an einen Spanier verkauft, ach nein, verscherbelt, ich glaube es waren 300 000 €. Wir reden hier von allererster Lage, von einem Kulturgut ersten Ranges.
Der Spanier hat 2 Jahre Zeit mit der Sanierung zu beginnen. Nicht nur das er nicht mal rechtzeitig den Kaufbetrag bezahlt hat, nein, er hat auch noch nicht mit der Sanierung begonnen.Die 2 Jahre sind um und auf Anfragen besorgter Bürger Weimars, hüllt man sich in Schweigen!!!!!!
Es hätte doch für Weimar, als Kulturstadt, kein Problem sein können, das Geld selbst aufzubringen oder zu besorgen. Die Sanierung selbst durchzuführen und diese Immobilie selbst zu vermarkten und selbst das Geld zu machen. Wir haben unser Tafelsilber weggeschmissen, verstehst Du??
Wir haben eine Hochschule für Architektur in WE. Dort arbeiten hochkarätige Bauspezialisten, bilden neue, junge Spezialisten aus. Das Geld wäre sogar noch in WE geblieben, einheimische Baufirmen hätten beauftragt werden können, Weimars kulturinteressierte Bürger hätten ein Wörtchen mitreden können.......
Aber unser Oberbürgermeister, ein Import aus Westberlin, ein Staatsanwalt, hatte höheres vor.
Es sollte eine Dauerausstellung über S.Dali enstehen. Überaus interessant, war aber wohl eine mords Luftnummer.
So kann ich von Kulturgutverscherbeleien, nicht nur aus Weimar, noch einiges erzählen. Nicht nur Immobilien, sondern auch Gemäldesammlungen, die mal so übernacht verschwinden.
Wie gesagt, zwei verschiedene Schuhe, aber derselbe Träger.
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Re: Kunst gegen Valuta kannte keine Kompromisse in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 20. Mai 2011, 09:54

Affi, mit dem was du schreibst, hast du recht. Nur ist es heute nicht so, dass den Leuten ein Verfahren entsteht, ihnen die Bilder weggenommen werden, obwohl sie nichts verkaufen- nur weil sie Sammler sind.
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Re: Kunst gegen Valuta kannte keine Kompromisse in der DDR

Beitragvon manudave » 23. Mai 2011, 19:03

Erstmal muss man unterscheiden, dass der heutige Verkauf von Kulturgut sicherlich schweren Herzens aus Finanzproblemen entsteht und ein Verkauf in der DDR eben auch kulturelle Aspekte hatte. Denn darauf legte man im Kommunismus generell recht wenig wert bzw. war an Historie immer nur das wichtig, was von Eigennutzen war. Es gibt ja genug Beispiele, wie man sich Geschichte und deren Zeitgenossen zurecht drehte oder sie komplett verschwieg.

Aus heutiger Sicht war der Verkauf gar nicht mal so schlecht. Andere Diktaturen wie China z.B. zerstörten massenhaft unglaubliche Mengen an wertvollstem Kulturgut.

Affi,

weiterhin habe ich mir in Weimar schon mehrfach Gedanken gemacht, wie eine Stadt all dieses wertvolle Gemäuer etc. überhaupt verwalten will - welche Kommune hat heute schon Geld. Wenn ich an das Fitnessstudio am Busbahnhof in diesem historischen Gebäude (es war wohl mal die Post) denke, könnt ich schreien. Aber der finanzielle Spielraum wird da wohl kaum andere Möglichkeiten lassen, denn 200.000 hier und 400.000 dort hat wohl der Stadtsäckel nicht zu bieten.
Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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