Ein Historiker in der DDR

Ein Historiker in der DDR

Beitragvon Interessierter » 15. Juni 2016, 10:41

Helmut Eschwege

Wer war dieser Helmut Eschwege? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Interessierte Leser in der DDR kannten vor allem zwei Bücher von diesem Autor, die beide bahnbrechend gewirkt hatten. 1966 erschien im VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften »Kennzeichen J. Bilder, Dokumente, Berichte zur Geschichte der Verbrechen des Hitlerfaschismus an den deutschen Juden 1933-1945«, die 2. Auflage dieses Buches folgte 1981. Mit diesem Buch wurde erstmals in der DDR eine dokumentarische Übersicht über den nationalsozialistischen Judenmord greifbar. Die ideologisch korrekte und Eschwege von der Zensur aufgezwungene Einleitung von Rudi Goguel hingegen repetierte das SED-typische Klischee vom Antisemitismus als »integrierendem Bestandteil des imperialistischen Herrschaftssystems«, natürlich ohne der Judenverfolgungen Stalins zu gedenken.

1980 publizierte Helmut Eschwege im Dresdner VEB Verlag der Kunst seine umfassende und reich illustrierte Dokumentation »Die Synagoge in der deutschen Geschichte«, die 1988 in dritter Auflage erscheinen und auch in der Bundesrepublik veröffentlicht werden konnte. In seiner Autobiographie »Fremd unter meinesgleichen. Erinnerungen eines deutschen Juden«, 1991 bei Christoph Links in Berlin gedruckt, hat Eschwege ausführlich geschildert, welche fast unglaublichen Schwierigkeiten ein deutscher Jude in der DDR überwinden mußte, um Sachbücher zu jüdischen Themen im »antifaschistischen Musterstaat« publizieren zu können.

Als Helmut Eschwege sich allerdings daran machte, das von der SED-Führung kanonisierte Klischee von den Juden aufzubrechen, die lediglich »Verfolgte des Naziregimes«, aber keine »Kämpfer gegen den Faschismus« gewesen seien, war es mit der Geduld der Parteiideologen zuende.
Seine große Studie »Selbstbehauptung und Widerstand. Deutsche Juden im Kampf um Existenz und Menschenwürde 1933-1945« drohte, den Alleinvertretungsanspruch der kommunistischen Arbeiterbewegung als einzige Kraft im antifaschistischen Widerstandskampf kritisch zu hinterfragen. So konnte dieses wichtige Buch über den jüdischen Widerstandskampf, in dem dieses auch außerhalb der DDR weithin verdrängte Thema erstmals umfassend aufgegriffen wurde, dank des Einsatzes der Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg und der Hamburger Bibliothek für Sozialgeschichte und Arbeiterbewegung, 1984 in der Bundesrepublik im Verlag Christians3 erscheinen. Wer es in der DDR lesen wollte, war beispielsweise auf eine mutige Großmutter angewiesen, die es bei einer Rentnerreise über die innerdeutsche Grenze schmuggelte.

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 406-maser/
Interessierter
 

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