ABV hat geschrieben:Meiner Meinung nach haperte in beiden deutschen Staaten an einer fundierten Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Im Banne des Wirtschaftswunders, mit dem Gefühl das es wieder vorwärts geht, wollte man am liebsten alles vergessen und verdrängen. In der DDR lebten offiziell nur "Widerstandskämpfer", die ständig mit dem Daumen auf den "bösen Westen" zeigte. Nicht umsonst trug die Berliner Mauer im offiziellen DDR-Sprachgebrauch den Titel "Antifaschistischer Schutzwall." Die Propagande hatte bei so mach einem sogar bis weit in die Wendezeit nachgewirkt. Ich habe tatsächlich Zeitgenossen erlebt, die meinten falls die SED die Macht verlieren sollte, käme der Faschismus wieder an die Macht. Wie aber hatte man in der DDR den Schülern die Zeit des Nationalsozialismus vermittelt? Ich muss sagen, dass dieser Zeit im Unterrichtsgeschehen tatsächlich viel Zeit eingeräumt wurde. Aber Quantität muss nicht immer gleichbedeutend mit Qualität sein! Die Geschichtsvermittlung erfolgte sehr selektiv und Einseitig an den Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und Kommunisten orientiert. Der Widerstand anderer Parteien und Gruppierugen wurde oftmals nur am Rande erwähnt. Meist fehlte der Hinweis nicht, dass diese Gruppen etc. den Zusammenschluß mit den Kommunisten verweigerten und daher gesetzmäßig scheitern mussten. Zu den Ursachen des Faschismus sagte man uns, dass dieser die aggressivste Form des Kapitalismus darstellt. Von den Konzernherrn gewünscht und finanziert, war die Machtergreifung Hitlers also ebenfalls so etwas wie eine gesetzmäßige Erscheinung. Man machte sich also doch sehr einfach! Vom gesellschaftlichen Leben in der Zeit des Nazionalismus erfuhr man in der DDR ebenfalls sehr kaum etwas. Die Konzentrationslager wurden ausführlich behandelt, auch die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung. Aber auch in den KZ organisierten wieder nur die "edlen Kommunisten" den Widerstand, während andere Häftlinge dazu offensichtlich nicht in der Lage waren. So sah es jedenfalls im verzerrten Fokus der DDR-Geschichtsaufarbeitung aus. Ein aus heutiger Sicht schändliches Kapitel stellt der Umgang mit den gefallenen deutschen Soldaten, oder besser gesagt mit deren Gräbern dar. Während man für die Toten der Sowjetarmee fast in jedem Dorf Denkmäler und "Heldenfriedhöfe" errichtete, mussten die deutschen Soldaten buchstäblich "unter Dornen" ruhen. Ein Mitarbeiter der Kriegsgräberfürsorge hat diese Vorgänge als " ideologisches Schuhabputzen auf den Gräbern", bezeichnet. Die DDR wollte immer auf der Seite der Sieger stehen, so dass man sich nicht davor scheute, alle Soldaten pauschal als Faschisten zu diffamieren. Diese Dinge lösten auch bei Vertretern der Sowjetunion Kopfschütteln und Unverständnis aus. In einem Dorf bei Seelow zeigte einst eine Bürgermeisterin einer sowjetischen Delegation stolz, den gepflegten sowjetischen Soldatenfriedhof. Auf die Frage der sowjetischen Dolmetscherin, " und wo habt ihr eure Toten begraben?", geriet die Dame allerdings außer Fassung.
Berliner hat geschrieben:Quelle: Das war die DDR, Kapitel 2: Von der Zone zum Staat
augenzeuge hat geschrieben:Es ist einzigartig, wie schnell nach Gefangennahme von Nazi-Offizieren und Soldaten "Lehren" aus der Vergangenheit gezogen wurden und aus Feinden Verbündete wurden. Ein kurzer Aufenthalt in den Antifa-Schulen oder Kriegsgefangenenlagern in der Sowjetunion reichte aus.
Edelknabe hat geschrieben:Ich brauch da gar nichts zu beweisen Jörg. Wer hat wen überfallen? Frankreich das Deutschland? Polen das Deutschland? Die UdssR das Deutschland? Und so ließe sich das mit X Ländern fortsetzen.
Wer war die Fortsetzung des Dritten Reich, so sinngemäß jetzt formuliert, doch nicht etwa die DDR?
Berliner hat geschrieben:Edelknabe hat geschrieben:Ich brauch da gar nichts zu beweisen Jörg. Wer hat wen überfallen? Frankreich das Deutschland? Polen das Deutschland? Die UdssR das Deutschland? Und so ließe sich das mit X Ländern fortsetzen.
Wer war die Fortsetzung des Dritten Reich, so sinngemäß jetzt formuliert, doch nicht etwa die DDR?
diese Behauptung ist mir ganz neu und scheint mir z.T. unlogisch. Soweit ich was wurde damals die NSDAP mit einer Mehrheit gewaehlt. Das wuerde bedeuten, dass nach dem Krieg alle Nazis aus dem Osten gen Westen gingen? Das kann einfach zahlenmaessig nicht stimmen.
Dass sich die DDR als der neue anti-faschitische Staat "erfunden" hatte, scheint mir viel logischer. Die Propaganda tat dann sein uebriges. So mein einfacher Gedanke, mal schauen was Ihr dazu meint.
Duane
Berliner hat geschrieben:...Dass sich die DDR als der neue anti-faschitische Staat "erfunden" hatte, scheint mir viel logischer. Die Propaganda tat dann sein uebriges. So mein einfacher Gedanke, mal schauen was Ihr dazu meint.
Duane
manudave hat geschrieben:Eine interessante These habe ich im Netz gefunden:
"Weil die Nazis die Urlaubswünsche der Deutschen gezielt förderten, hatte die DDR-Führung später ein großes Problem.
Oder noch zugespitzter gesagt:
Die Nazis legten einen Keim für den Untergang der DDR. Denn das Reisen galt auch im Osten als unabdingbarer Bestandteil des Lebens."
Edelknabe hat geschrieben:Hallo zusammen, ich dachte, kram doch mal in deinen Büchern für den Fred und siehe da, ein wunderschöner Textauszug über die Nachkriegszeit in Westdeutschland, ein „Sittengemälde“, was wirklich für sich spricht, gefunden im Buch von Inge Viett,“ Nie war ich furchtloser“
In der Schule sprach der Lehrer am 17.Juni vom „ Abschütteln des bolschewistischen Jochs“ und geriet in Selbstvergessenheit über die „endliche Zerschlagung des Jüdisch-Kommunistischen Gebildes“ östlich der Elbe. Er geriet dabei in eine Art Ekstase, die uns Kinder ganz furchtbar irritierte. Er steigerte sich in antisemitische Beschimpfungen und Klagen über den verlorenen Krieg hinein. Das Blut wich aus seinem Gesicht und er schrie über unsere Köpfe hinweg, als wollte er eine unsichtbare Masse von Menschen bewegen. Wir hielten den Atem an, saßen verstört und gedrückt in den Bänken. Plötzlich hielt er inne, wurde sich seiner wieder bewusst und rannte kreidebleich hinaus. An der Tür schrie er: „Pause“, und wir stürzten erleichtert in den Hof.
Der Gang und Geist des dörflichen Lebens war nicht weiter beeindruckt von der aggressiven Politik der politischen und militärischen Hasardeure der Adenauer-Ära. Unspektakulär, fast behutsam sickerte das „ Wirtschaftswunder“ der fünfziger Jahre in die Bauernhöfe ein. Die alten Ungetüme der Landstraße, die Bulldozer, verschwanden und wurden ersetzt durch wendigere Traktoren, intelligentere Mäh- und Dreschmaschinen erleichterten die Erntearbeiten. Volkswagen und Motorräder mehrten sich. Unaufhaltsam endete die Pferdezeit. Ein Fuhrwerk nach dem Anderen verschwand von der Straße, vergreiste und vermoderte in den Remisen. Die rumpeligen eisenbereiften Deichselgespanne hatten ausgedient, jetzt gab es den gummibereiften Hänger für den Traktor. Bald hielten sich die Bauern nur noch ein, zwei Pferde, weil sie sich einen Bauernhof ohne Pferd nicht vorstellen konnten.
In der Wohnstube des Bürgermeisters flimmerte der erste Fernseher. Die Dorfjugend sang amerikanische Schlager, schwärmte für Elvis und begann Rock “n“ Roll zu tanzen, die Mädchen trugen dreiviertellange Hosen a la USA. Die Alten sagten immer noch „Heil Hitler“. Es regte auch niemanden auf, als im Nachbardorf wieder militärische Manöver stattfanden. Außer uns Kinder natürlich. Die Soldaten und ihre Kriegsgerüste waren für uns Objekt abenteuerlicher Bewunderung und unwiderstehlicher Anziehungskraft. Wenn möglich, schlichen wir zu ihren Tarnlagern und beglotzten sie.
Nein, unsere Begeisterung war nicht von selbst gekommen. Anekdoten über den “Eisernen Kanzler“ Bismarck- zu seinem Denkmal pilgerten wir alljährlich einmal- und über den Alten Fritz mit seinen wunderbar tüchtigen, treuen und mutigen Soldaten füllten die Geschichtsstunden und unsere Kinderköpfe. Kein Wort, nicht die geringste Aufklärung über die faschistischen Herrenjahre, nichts über den Greuel- und Plünderungsfeldzug der deutschen Armee durch Europa und Russland. All dies war offiziell tabu. Ich kriegte es irgendwie mit als etwas Dunkles, Schicksalhaftes. Ein durch die Schuld der Juden und Kommunisten über Deutschland gekommenes Unglück, das man diesen eines Tages heimzahlen werde.
Textauszug Ende.
Nachwort vom Einsteller: Ein Schelm könnte jetzt schreiben“ und sie haben es den Kommunisten…nein, nicht den Juden, den Kommunisten heimgezahlt“. So 1989 herum.
Wie sich doch Geschichte manchmal wiederholt, Etwas wieder holt?
Rainer-Maria
Edelknabe hat geschrieben:Und wie geschrieben...1954 und man grüsste noch nach der alten Ordnung, das sagt eigentlich Alles, mehr braucht man garnicht zu wissen, um sich ein Bild zu machen.
Rainer-Maria
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