"NS-Täter hatten in der DDR eine große Chance, ungeschoren davonzukommen, wenn sie sich unauffällig verhielten oder kooperierten", sagt Henry Leide von der Außenstelle Rostock des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Manche waren so unauffällig, dass sie erst kürzlich, Jahrzehnte nach dem Ende der DDR, in den Fokus der Justiz gerückt sind.
Josef Settnik wusste, worum es ging. Also packte er in der Stasi-Kreisdienststelle in Dippoldiswalde lieber gleich aus. SS-Freiwilliger, SS-Infanterist, ab Januar 1942 Dienst im Konzentrationslager Auschwitz: Settnik nannte die Stationen seiner NS-Karriere.
Er rechnete fest damit, im antifaschistischen Musterstaat DDR vor Gericht gestellt zu werden. Von seiner Frau habe er sich verabschiedet und sein "Amen" gebetet, sagte er. Am Ende des Gesprächs saß er weinend am Tisch - weil ihm die Stasi-Leute ein Angebot gemacht hatten, das er nicht ausschlagen konnte. Seine Vergangenheit in der SS sollte vergessen sein, wenn er mit dem Ministerium für Staatssicherheit kooperieren würde. Fortan bespitzelte er Angehörige seiner katholischen Gemeinde.
Die Stasi warb Settnik 1964 an, vor 50 Jahren, als im Westen der erste Auschwitz-Prozess lief. Und wie mit ihm ging die DDR mit vielen von denen um, die in Auschwitz Dienst getan hatten: Sie blieben von der Justiz unbehelligt.
http://www.spiegel.de/einestages/ns-tae ... 87462.html
AZ