25 Jahre nach RAF-Anschlag: Neue Spur im Fall Herrhausen
Vor 25 Jahren tötete die RAF den damaligen Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen. Ein aufwendig recherchierter ARD-Film fördert nun eine neue Spur zutage: Offenbar baute die RAF die Bombe nicht selbst - sondern bekam Hilfe aus dem Libanon.
Am 30. November 1989 wird Alfred Herrhausen von seinem Chauffeur in einer gepanzerten Mercedes-Limousine in Bad Homburg den Seedamweg entlang gefahren. Vor ihm ein weiteres Fahrzeug mit Bodyguards. Als Vorstandssprecher der Deutschen Bank gilt Herrhausen als hochgradig gefährdet.
Der Manager ist erst wenige hundert Meter von Zuhause weg, als die Fahrzeuge eine Engstelle an der Taunus-Therme im Kurpark von Bad Homburg passieren müssen. Hier wartet eine unfassbar präzise Sprengfalle. Auf einem Kinderfahrrad montiert, durch eine Lichtschranke gezündet.
"Wer da sitzt, der hat null Chance", sagt der Experte
Für seinen Film „Die Spur der Bombe“ (Montag, 23.30 Uhr, in der ARD) hat der renommierte Dokumentarfilmer Egmont R. Koch den Sprengsatz mithilfe des Fraunhofer Instituts EMI in Freiburg nachgestellt. Die Wissenschaftler dort sind weltweit anerkannte Fachleute für so genannte Kurzzeitdynamik - also zum Beispiel für Explosionsabläufe.
Aus Sicherheitsgründen wird beim dem Test alles halbiert: nur die halbe Menge Sprengstoff, halb so dicke Panzerplatten, ein halb so großes Geschoss. Trotzdem ist die Zerstörung im Freiburger Sprengbunker des EMI enorm. Forschungsleiter Klaus Weimann bringt es auf den Punkt "Wer da sitzt, der hat null Chance!"
Laut Weimann starb Herrhausen streng genommen nicht an dem High-Tech-Geschoss, einer Kupferschale, die durch die Explosion zu einem trichterförmigen Geschoss wurde. "Herrhausen ist wohl nicht von dem Projektil selbst getroffen worden, sondern von Teilen, die aus der Tür herausgeschlagen wurden. Und diese Splitter sind tödlich. Kann man sich gegen so etwas schützen? Ich würde ganz klar sagen: Nein! Sie können keinen Pkw so schützen, dass die Insassen, die direkt hinter diesem Ziel sitzen, nicht verletzt werden."
"Wir hatten so etwas noch nie gesehen", sagt der CIA-Mann
Es handelte sich um einen Bombentyp, der damals praktisch unbekannt war. Das erzählt Bob Baer, in den 1980er Jahren ein führender CIA-Agent im Nahen Osten. Er kannte diese Art von Bombe erst wenige Wochen vor dem Attentat - und machte sich damals große Sorgen:
"Zur Zeit des Anschlags auf Herrhausen untersuchte die CIA gerade diese Waffentechnik. Wir kannten damals niemanden, der in der Lage gewesen wäre, das zu beherrschen. Wir experimentierten ja selbst noch damit herum. Das Herrhausen-Attentat beunruhigte vor allem unseren Secret Service. Warum sollte eine solche Waffe nicht auch gegen den amerikanischen Präsidenten eingesetzt werden? Also, Herrhausen war ein beispielloser Anschlag. Wir hatten so etwas noch nie gesehen."
Wussten die RAF-Leute, was für eine Bombe sie verwendeten?
Die Bombe kam offenkundig aus dem Nahen Osten, findet Egmont R. Koch in seinem Film heraus. Nur acht Tage vor dem Attentat stirbt in Beirut der libanesische Präsident Réne Moawad durch einen identischen Sprengsatz. Dann, an besagtem 30. November, wird 3000 Kilometer entfernt Alfred Herrhausen getötet. Das Bundeskriminalamt findet ein Bekennerschreiben der RAF, das - aus heutiger Sicht - indirekt belegt, dass sie selbst die Bombe nicht gebaut hat. Denn: Es ist von einer "Hohlladungsmine" die Rede.
Solche Bekennerschreiben sind von der RAF immer als kollektive Stellungnahmen geschrieben worden. Also hätte doch eigentlich auch ein "Techniker" der Gruppe den Fehler bemerken müssen. Stattdessen werden falsche Ausdrücke verwendet. Der Direktor des Frauenhofer Instituts EMI, Klaus Thoma, findet das verräterisch: "Das deutet meiner Ansicht nach darauf hin, dass jemand einfach nur Worte aufgeschnappt hat, irgendwas übernommen hat und Worte zusammengemixt hat, die fachlich nicht zusammengehören."
Solche Bomben werden noch heute eingesetzt - von Al-Kaida
Das Attentat auf Herrhausen war das Ergebnis einer internationalen Terrorkooperation, deren Verzweigungen bis nach Skandinavien führen - zu diesem Ergebnis kommt Kochs Film. Unterschiedliche linke Terrorgruppen bis hin nach Dänemark tauschten sich untereinander aus, bezogen Waffen aus dem Libanon - und eben technische Hilfe. An verschiedenen Attentaten in den 1980er-Jahren kann man das nachweisen.
Auf Deutschland bezogen stand diese internationale Terrorallianz 1989 allerdings schon kurz vor dem Ende. Herrhausen war das vorletzte Opfer, bevor die Linksterroristen das Scheitern ihres Kampfes und ihre Auflösung erklärten. Der Ideologie des "antiimperialistischen Kampfs" war mit der Wende und dem Fall des Eisernen Vorhangs endgültig ad absurdum geführt worden.
Auf eine gewisse Weise macht das den Tod von Alfred Herrhausen doppelt tragisch: Er starb 21 Tage nach dem Mauerfall. Viel spricht dafür, dass die Terroristen trotz Mauerfall und der sich überschlagenden Weltgeschichte stur an einem Plan festhielten, der nicht nur menschenverachtend war, sondern aus einer vergangenen Zeit kam. Die perfide Technik der Sprengsätze ist aber bis heute in der Hand von Terroristen. Al Kaida hat mehrere Dutzend solcher Anschläge auf US-Soldaten mit Videos dokumentiert. Die Sprengsätze wurden in den 2000er-Jahren in einer Art Massenproduktion hergestellt - und werden bis heute vor allem im Irak eingesetzt.
http://www.tagesschau.de/inland/herrhausen-101.html
Das Erstaunliche ist die Aussage, dass selbst die CIA diese Bombentechnik noch nicht gekannt hätte. Gab es Hohlladungssprengkörper nicht schon seit dem zweiten Weltkrieg? Was war denn an diesem Bombentyp neu? Kennt sich damit jemand aus? Ach ja, durch diese Sätze wird jetzt die NSA aufmerksam.
Die sich bis heute haltende Verschwörungstheorie, dass Herrhausen getötet wurde, weil er sich verbal für eine Entschuldung der dritten Welt einsetzte, halte ich nicht für sehr überzeugend. Wäre er der Finanzwelt ein Dorn im Auge gewesen, hätten ihn die Eigner der Deutschen Bank bei der nächsten Hauptversammlung als Vorstandssprecher einfach abgesetzt. Also warum jemanden töten, den man auch ganz einfach legal absetzen kann? Seine Macht wird auch völlig überschätzt. Die Deutsche Bank ist eine von vielen Banken und kann da alleine überhaupt nichts bewirken, was die Entschuldung der Dritten Welt betrifft. Ich denke nicht, dass es ein "Inside Job" war, also aus der Finanzbranche, sondern von terroristischen Gruppen von außen. Da das Attentat zeitlich nahe am Fall der Berliner Mauer lag, 21 Tage danach, entstand die Theorie, dass es die Stasi gewesen sein könnte, sozusagen ein letzter "Abschiedsgruß" der Stasi, eine Racheaktion nach dem Anfang vom Ende des Sozialismus. Aber auch dafür gibt es bis heute keinen Beleg oder Indizien.