DDR - Oppositionelle

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Nostalgiker » 22. September 2015, 09:42

Volker Zottmann hat geschrieben:Frage an @beethoven:

Wann hat Georg Wrazidlo sein Heimatland verlassen? Laut Artikel niemals. Er ist doch nur in Berlin umgezogen, ob erlaubt oder nicht, ist Schnuppe. Was hat das mit "Verlassen" des Heimatlandes zu tun? Was ziehst Du für seltsame Schlüsse? Er blieb in Deutschland, sogar in der selben Stadt!

Gruß Volker


... und was mischt du so in deinen Morgenkaffee?
Selten sowas albernes gelesen; wobei, bei deinem verqueren "denken" überraschen mich wirklich sehr wenige Ansichten von dir. Einsichten hast du jedenfalls nicht.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 22. September 2015, 09:49

Zitat Beethoven:
Wer also wirklich in Opposition war und auch etwas für seine Meinung tun wollte, konnte dies doch eigentlich am Besten, wenn er im Lande blieb.
Die meisten Anderen, so meine Meinung, gingen aus familiären oder wirtschaftlichen Gründen. Oder aber um einer Strafverfolgung zu entgehen oder keine Alimente mehr zahlen zu müssen oder wegen solcher Dinge.


Dazu einfach kommentarlos der Brief von Ernst Bloch an den Präsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften am 22.9.1961. Der Leipziger Philosoph Ernst Bloch, der sich schon vor dem Mauerbau in der Bundesrepublik aufhielt, kündigt an, in der Bundesrepublik bleiben zu wollen:
Seit Mai 1949, nach meiner Rückkehr aus der Emigration in Amerika, lebte ich, nachdem ich eine Berufung auf den Leipziger Lehrstuhl für Philosophie angenommen hatte, in dem Staat, der sich nachher als Deutsche Demokratische Republik bezeichnete.

In den ersten Jahren meiner Universitätstätigkeit erfreute ich mich ungehindert der Freiheit des Wortes, der Schrift und der Lehre. In den letzten Jahren hat sich diese Situation zunehmend geändert. Ich wurde in Isolierung getrieben, hatte keine Möglichkeit zu lehren, der Kontakt mit Studenten wurde unterbrochen, meine besten Schüler wurden verfolgt und bestraft, die Möglichkeit für publizistisches Wirken wurde unterbunden, ich konnte in keiner Zeitschrift veröffentlichen, und der Aufbauverlag in Berlin kam seinen vertraglichen Verpflichtungen meinen Werken gegenüber nicht nach. So entstand die Tendenz, mich in Schweigen zu begraben.

Demgegenüber gaben mir seit geraumer Zeit Universitäten, Zeitschriften und mein Verlag in Westdeutschland Gelegenheit zu lehren, zu publizieren und meine bisherigen Arbeiten ungestört fortzusetzen.

Nach den Ereignissen vom 13. August, die erwarten lassen, daß für selbständig Denkende überhaupt kein Lebens- und Wirkungsraum mehr bleibt, bin ich nicht mehr gewillt, meine Arbeit und mich selber unwürdigen Verhältnissen und der Bedrohung, die sie allein aufrechterhalten, auszusetzen. Mit meinen 76 Jahren habe ich mich entschieden, nicht nach Leipzig zurückzukehren.

Ich muß Ihnen deshalb, sehr verehrter Herr Präsident, mitteilen, daß ich bei künftigen Sitzungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften, deren ordentliches Mitglied ich bin, zu meinem wahren Bedauern nicht mehr anwesend sein kann.

Ernst Bloch


Quelle: Hans-Werner Richter (Hg.), Die Mauer oder der 13. August, Reinbek 1961, S. 140/41.

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 23. September 2015, 10:28

Wofgang Natonek

Bild

Natonek brachte sich vielfach in das neue politische Leben ein. Er wird Mitglied der LDP und gehört 1947, wie Manfred Gerlach, der spätere Staatsratsvorsitzende der DDR, dem Bezirksvorstand Leipzig und dem erweiterten Landesvorstand Sachsen der liberalen Partei an. Mit großer Mehrheit wird er im Februar 1946 zum Vorsitzenden des Studentenrates der Universität gewählt. In seiner klaren, überzeugenden Sprache konnte er komplizierte Inhalte mühelos vermitteln. Natonek wird als mitreißender, brillanter Redner, als politisches Urtalent beschrieben, und jeder, der ihn zur universitären Immatrikulationsfeier am 19.Oktober 1992 im Leipziger Gewandhaus gehört und gesehen hat, kann das bestätigen.

Die Kommunisten versuchen alles, ihn auf ihre Seite zu bekommen. Als das nicht gelingt, wird systematisch gegen ihn und seine Anhänger gehetzt und verleumdet. Natonek bleibt souverän, geht nicht nach dem Westen. Schließlich verschwindet Wolfgang Natonek - es war der 11. November 1948 - wie so viele, die an einen demokratischen Anfang geglaubt haben, in der berüchtigten sowjetischen Kommandantur in der Leipziger Windscheidstraße. Die Verhaftung erfolgt heimlich durch einen sowjetischen Offizier und einen deutschen Instrukteur vom Kriminalamt Leipzig, Kommissariat K5, der Vorgängerorganisation der berüchtigten Staatssicherheit der DDR. Die gemeinsame Wohnung von ihm und seiner Mutter wird durchsucht und „der im Zimmer N.‘s stehende Fernsprechapparat abmontiert und dem sowjetischen Offizier übergeben.“ In einem Bericht der K 5 teilt der IM „Stephan“ 1952 mit, dass man „in internen Kreisen... Gerlach immer wieder mit der Verhaftung des Studentenrats-Vorsitzenden Natonek in Verbindung“ bringe, „indem man andeutet, dass Gerlach an der Verhaftung und Verurteilung des Natonek nicht unbeteiligt ist.“ Wolfgang Natonek wird von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Die Anklage erstreckt sich auf Spionage, Sabotage und Mitwisserschaft eines Verbrechens, begangen von einem Kommilitonen, das er nicht angezeigt habe. Hinter all diesen Vorwänden verbargen die Sowjetbehörden den eigentlichen Grund der Verhaftung: Wolfgang Natonek hatte über den Studentenrat zu viel politischen Einfluss gewonnen. Er war ihnen und noch mehr ihren kommunistischen deutschen Helfershelfern gefährlich geworden. Über die Haft berichtet Natonek später, dass er in verschiedenen Zuchthäusern gewesen sei, am längsten in Bautzen. „Im Zuge der Souveränität“, schreibt Natonek 1956, „der ‚humanistischen DDR’ gingen von sowjetischen Militärtribunalen verurteilte Personen Ende 1954 in die Vollmacht der Staatssicherheitsorgane über.“ Die Bedingungen werden noch härter. Lediglich die medizinische und hygienischen Betreuung verbessert sich.

Nach über sieben Jahren wird Wolfgang Natonek Ende Dezember 1955 aus der Haftanstalt Torgau entlassen, begnadigt mit der Auflage, Leipzig nicht verlassen zu dürfen.

Der vollständige Beitrag hier;
http://www.bwv-bayern.org/component/con ... tonek.html
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Beethoven » 24. September 2015, 14:55

Volker Zottmann hat geschrieben:Frage an @beethoven:

Wann hat Georg Wrazidlo sein Heimatland verlassen? Laut Artikel niemals. Er ist doch nur in Berlin umgezogen, ob erlaubt oder nicht, ist Schnuppe. Was hat das mit "Verlassen" des Heimatlandes zu tun? Was ziehst Du für seltsame Schlüsse? Er blieb in Deutschland, sogar in der selben Stadt!

Gruß Volker



Ohje, was soll ich dazu sagen? Am Besten gar nichts. Allerdings erscheinen mir Deine Schlüsse doch eher lachhaft als seltsam.

In diesem Sinne - Menschen deuten oft nach ihrer Weise die Dinge, weit entfernt von ihrem Sinn! William Shakespeare
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Volker Zottmann » 24. September 2015, 16:36

Beethoven hat geschrieben:
Volker Zottmann hat geschrieben:Frage an @beethoven:

Wann hat Georg Wrazidlo sein Heimatland verlassen? Laut Artikel niemals. Er ist doch nur in Berlin umgezogen, ob erlaubt oder nicht, ist Schnuppe. Was hat das mit "Verlassen" des Heimatlandes zu tun? Was ziehst Du für seltsame Schlüsse? Er blieb in Deutschland, sogar in der selben Stadt!

Gruß Volker



Ohje, was soll ich dazu sagen? Am Besten gar nichts. Allerdings erscheinen mir Deine Schlüsse doch eher lachhaft als seltsam.

In diesem Sinne - Menschen deuten oft nach ihrer Weise die Dinge, weit entfernt von ihrem Sinn! William Shakespeare


Siehst Du @beethoven, ich brauche nicht mal Shakespeare heranzuziehen um schlau zu wirken .... [laugh]
Als ich über Dich sinnierte, kam mir meine neue Signatur von ganz allein in den Sinn.

Gruß Volker
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 26. September 2015, 22:34

Beethoven hat geschrieben:Ein reines Verlassen der DDR aus politischen Gründen wird, so denke ich in den wenigsten Fällen der Grund gewesen sein. Denn durch das Verlassen konnte dieser Mensch nichts mehr gegen diese Politik unternehmen. Bestes Beispiel dazu erscheint mir Herr Biermann.


Nun Beethoven, dieser falschen Annahme verfielen damals nicht wenige Staatsträger. Deshalb überrascht es mich, noch heute so etwas grob Falsches zu lesen. [shocked]
Denn umgekehrt war es! Was hatte doch das MfS mit der sogenannten subversiven Arbeit der Verbannten bzw. Ausgesiedelten noch zu tun? Soviel, dass sie diese Leute nicht unter Kontrolle bekamen....

Biermann konnte sich doch erst richtig entfalten und sich Gehör bei den DDR Bürgern verschaffen als er im Westen war. Hätte er dies im Osten erreichen können?

Oder Jürgen Fuchs, du kennst sicher den an Strahlungsschäden verstorbenen Schriftsteller. Erst als er im Westen war, trafen seine verbalen Waffen ins Ziel. Er schrieb im Spiegel den deutlichsten Artikel über die Maßnahmen zum Ausmaß und die Art der Zersetzungsmaßnahmen des MfS...:"Du sollst zerbrechen!".

Oh, was folgte für eine Welle der Verunglimpfung durch das MfS. Fast wie hier manchmal im Forum. Als Stasi-Paranoiker diskreditierte ihn das MfS im Westen....[grins]
Bei nicht wenigen hatte man Erfolg. Bis zur Wende. Dann kam der ganze Dreck ans Tageslicht und offenbarte, das Fuchs mit allem recht gehabt hatte!

Man kann sich vorstellen, was diese Wahrheiten, die einige heute nicht mal lesen können, verursachten. Eine Bomben-Explosion vor seinem Haus und die Sabotage der Bremsschläuche seines Autos folgten. Eindeutig Mordversuche....Auch wenn Fuchs an Leukämie starb und dem MfS nicht direkt eine eindeutige Ursache seiner Erkrankung nachgewiesen werden konnte, sprechen genug Indizien dafür. Nicht vernichtete, dokumentierte Planungen der Hauptabteilung VIII des MfS sahen die Installation einer radioaktiven Quelle im Wohnhaus von Fuchs durch einen IM vor!

Nun kann es natürlich sein, dass es jemanden gibt, der meint, dass es im MfS genügend Kapazitäten für solche "Spielecken" gab, wo man Böses plante, aber nie wirklich real umsetzte, man hatte ja sonst nichts sinnvolles zu tun....wers glauben will, dem ist eh nicht zu helfen.

Noch ein Beispiel, Roland Jahn. Hinausgeworfen, als man merkte, er war stärker....genutzt hat es wenig. Er organisierte die Verbreitung der gern geheim gehaltenen Umstände in der DDR 1989.

Am Ende war es die Zahl der aus politisch-operativen Gründen Gegangenen, welche den Deckel vom zugehaltenen Faß presste.

Noch Fragen, Beethoven?

AZ
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Werner Thal » 27. September 2015, 06:23

..und hier ist der link von Der Spiegel: Heft 43 1977:


http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/ ... f/40831646


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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Werner Thal » 27. September 2015, 17:50

...und hier die Fortsetzung: Der Siegel - 44/1977:


http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/ ... f/40749119

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Werner Thal » 27. September 2015, 17:55

...und hier die Fortsetzung: Der Spiegel 45 / 1977


http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/ ... f/40749043

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Werner Thal » 27. September 2015, 17:59

...Fortsetzung: Der Spiegel 46 / 1977:

http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/ ... f/40736407

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Werner Thal » 27. September 2015, 18:04

...letzte Fortsetzung und Schluß - Der Siegel 47/1977:


http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/ ... f/40764102

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Merkur » 28. September 2015, 07:21

augenzeuge hat geschrieben:Oder Jürgen Fuchs, du kennst sicher den an Strahlungsschäden verstorbenen Schriftsteller.
Noch Fragen, Beethoven?

AZ


Ich habe eine Frage. Gibt es einen wissenschaftlich begründeten Beweis dafür, dass Fuchs an Strahlungsschäden verstorben ist? Ich frage deshalb, weil das Thema ja seit Jahren diskutiert wird, es mich aus fachlicher Sicht interessiert, ich aber einen solchen Beweis bisher nicht zur Kenntnis genommen habe. Du schreibst zielsicher und ohne Zweifel, dass es so war. Daher meine Frage, auf welcher Basis Deine eindeutige Aussage beruht.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Nostalgiker » 28. September 2015, 07:51

@Beethoven, es reicht doch als "Beweis" das es Augenzeuge behauptet und schließlich hat Augenzeuge diese Behauptung/Vermutung, herausposaunt von den wirklichen und wahren "Zeitzeugen" (du bist keiner !) gelesen.
Und Behauptungen, Vermutungen mutieren beim Augenzeugen in der Regel automatisch zu wasserdichten Beweisen wenn sie in sein politisch-ideologisches Konzept passen.
Zweifel? Wozu? Hast du früher je den unbedarften Funktionär an irgendeiner Behauptung von Oben zweifeln sehen? Na siehste! So macht das Augenzeuge heute.


thoth
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 28. September 2015, 08:35

Merkur hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:Oder Jürgen Fuchs, du kennst sicher den an Strahlungsschäden verstorbenen Schriftsteller.
Noch Fragen, Beethoven?

AZ


Ich habe eine Frage. Gibt es einen wissenschaftlich begründeten Beweis dafür, dass Fuchs an Strahlungsschäden verstorben ist? Ich frage deshalb, weil das Thema ja seit Jahren diskutiert wird, es mich aus fachlicher Sicht interessiert, ich aber einen solchen Beweis bisher nicht zur Kenntnis genommen habe. Du schreibst zielsicher und ohne Zweifel, dass es so war. Daher meine Frage, auf welcher Basis Deine eindeutige Aussage beruht.


Nein, den wasserdichten Beweis gibt es nicht. Das schrieb ich so auch! Fuchs starb an einer Art von Leukämie, die oft durch Strahlenschäden verursacht wird.

Fakt ist, das MfS ging mit den "Stoffen" mehr als fahrlässig um, man kann auch sagen, dass man Erkrankungen in Kauf nahm. Es handelte sich dabei um geruch- und farblose Stoffe und Flüssigkeiten, mit denen die Stasi Gegenstände und Personen "markierte". Mindestens Bahro und Fuchs erkrankten an der gleichen Krankheit, wurden vom MfS ähnlich behandelt.

Zur Einschätzung der Strahlenbelastung legte die Stasi für die Aktionen eigene Grenzwerte fest, die die offiziellen DDR-Werte überschritten. Der Grenzwert für die observierten Opfer wurde dabei höher festgelegt als für die beiligten Stasi-Mitarbeiter.

Es ist allerdings auch nicht wie Thoth es gern macht, warum auch immer, wegzudiskutieren. Oder Thoth kann begründen, welchen Sinn das Einsetzen einer radioaktiven Quelle im Wohnhaus des Fuchs machen sollte....oder eine Bombe, oder zerschnittene Bremsschläuche....

AZ
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Merkur » 28. September 2015, 11:08

augenzeuge hat geschrieben:
Nein, den wasserdichten Beweis gibt es nicht. Das schrieb ich so auch! Fuchs starb an einer Art von Leukämie, die oft durch Strahlenschäden verursacht wird.
AZ


Du schriebst, "den an Strahlungsschäden verstorbenen Schriftsteller." Das ist für mich eine eindeutige Aussage!
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Kumpel » 28. September 2015, 13:03

augenzeuge hat geschrieben:.........................
Es ist allerdings auch nicht wie Thoth es gern macht, warum auch immer, wegzudiskutieren. Oder Thoth kann begründen, welchen Sinn das Einsetzen einer radioaktiven Quelle im Wohnhaus des Fuchs machen sollte....oder eine Bombe, oder zerschnittene Bremsschläuche....

AZ



.....dies dürfte nicht zu erwarten sein , der User "Thoth" ergeht sich lieber über die Wirkung der morgentlichen Heißgetränke diverser andere User auf den Inhalt ihrer Beiträge im Forum.
Kumpel
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 28. September 2015, 16:25

Merkur hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:
Nein, den wasserdichten Beweis gibt es nicht. Das schrieb ich so auch! Fuchs starb an einer Art von Leukämie, die oft durch Strahlenschäden verursacht wird.
AZ


Du schriebst, "den an Strahlungsschäden verstorbenen Schriftsteller." Das ist für mich eine eindeutige Aussage!


Auch wenn du in Tschernobyl 1986 gewesen wärst und später diese Strahlen-Leukämie bekommst, hast du noch keinen Beweis, dass es nicht doch ne andere Ursache gibt.
Wenn das MfS radioaktive Planungen am Haus duldet und fördert, dann kommst du nicht ins Grübeln?

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Nostalgiker » 28. September 2015, 16:37

Kumpel, hör doch einfach auf hier blöd umzustänkern
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Nostalgiker » 28. September 2015, 16:42

augenzeuge hat geschrieben:
Merkur hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:
Nein, den wasserdichten Beweis gibt es nicht. Das schrieb ich so auch! Fuchs starb an einer Art von Leukämie, die oft durch Strahlenschäden verursacht wird.
AZ


Du schriebst, "den an Strahlungsschäden verstorbenen Schriftsteller." Das ist für mich eine eindeutige Aussage!


Auch wenn du in Tschernobyl 1986 gewesen wärst und später diese Strahlen-Leukämie bekommst, hast du noch keinen Beweis, dass es nicht doch ne andere Ursache gibt.
Wenn das MfS radioaktive Planungen am Haus duldet und fördert, dann kommst du nicht ins Grübeln?

AZ


Mal wieder "Logik" a la Augenzeuge ......
Wahrscheinlich sind inzwischen alle Planer aus dem Ministerium Energie welche mit dem AKW Greifswald und AKW Stendal beschäftigt waren radioaktiv verseucht .....
"Strahlen-Leukämie"; kreierst du jetzt neue Krankheiten Augenzeuge? Im ICD 10 Diagnoseschlüssel fand ich sie nicht .....

Thoth
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 28. September 2015, 16:49

Einfach lesen.....verstehen könnte problematisch werden.... [flash]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-62603924.html

AZ

P.S.
Hast du dich jetzt vom Gott zum Doktor degradiert? [grins]

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Nostalgiker » 28. September 2015, 16:59

Der Spiegel ist schon lange nicht mehr das war er einmal war und das Biermann unter dem Zwang leidet sich zu allem und jedem zu äußern, auch ohne ausreichendes Faktenwissen, ist auch hinlänglich bekannt.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Kumpel » 28. September 2015, 18:07

Donnerwetter, daß nenne ich aber mal eine fundierte Antwort.Für die hättest du im anderen Forum wieder jede Menge Dankeschönhäkchen von den Unteroffizieren und PKElern einheimsen können.
Kumpel
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 1. Oktober 2015, 08:45

Interview mit einem Anarchisten aus der DDR

„Bei euch sitzt man ja immer nur im Knast“


Bild

David Gienapp war mehr als sechs Jahre lang politischer Gefangener in der DDR. In den Gefängnissen des „Arbeiter- und Bauernstaates“ musste er unter anderem Hausschuhe für den Westen herstellen.[1] 1975 konnte er schließlich aus der DDR ausreisen. Einige Jahre später trat er der wieder gegründeten FAU bei (damals noch I-FAU). Die DA sprach mit David über sein Leben und seine Erlebnisse in der DDR.

Kleine Chronik von David Gienapp

• geboren 1938 in Berlin

• ab 1951: Bekanntschaft mit altem FAUD-Genossen in dessen Wohnung

• 1959: vier Monate U-Haft wegen „Staatsverleumdung“

• 1960: Flucht nach West-Berlin

• Oktober 1960: am Bhf. Friedrichstraße festgenommen; fünf Monate Verhör in Pankow wegen angeblicher Spitzeltätigkeit; Verurteilung zu drei Jahren Haft (Rummelsburg, Gera-Liebschwitz)

• in Gera zwei Jahre Haftverlängerung wegen „staatsfeindlicher Hetze“ im Gefängnis; dann Verlegung nach Waldheim

• 1961 bis 1965: Haft in Waldheim

• Oktober 1966: Erneute Inhaftierung (Bützow-Dreibergen) für ein Jahr wegen „Staatsverleumdung“ bzw. Protest gegen DDR-Musik

• 1975: Vernehmung wegen angeblicher „versuchter Republikflucht“; bald darauf Ausreise aus der DDR


Das Interview findet man hier:
https://www.direkteaktion.org/212/201eb ... -knast201c
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 2. Oktober 2015, 10:18

DDR-Widerstandsikone Bettina Wegner - "Menschen ohne Rückgrat gibt es schon genug!"

Ihre Langspielplatte mit dem Lied "Sind so kleine Hände..." drehte sich auf mehr als hunderttausend Plattenspielern in Ost und West. Die Ost-Berliner Liedermacherin Bettina Wegner gilt als Ikone des Widerstands in der DDR - und nahm dafür staatliche Verfolgung in Kauf. Von Peter Wensierski

Wir schreiben das Jahr 1968. Russische Panzer haben Prag besetzt. In den Straßen der tschechischen Hauptstadt wird auf Demonstranten geschossen. 17 Menschen sterben allein vor dem Rundfunkgebäude, weil sie unbewaffnet die Panzer umstellen. Andere werden von Militärfahrzeugen überrollt. 27 Divisionen des Warschauer Pakts schlagen den Prager Frühling nieder, den Traum von einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz.

In Ost-Berlin steht eine junge Frau vor Gericht. Sie erklärt der Richterin mit fester Stimme, warum sie aus Protest gegen den Überfall russischer Panzer in Prag heimlich Flugblätter verteilt hat: "Am Morgen des 21. August, als die Nachricht kam, da hab ich nur ganz spontan gedacht: Det ist nicht richtig, det is falsch, det is gemein!"

Nun steht sie im Kreuzverhör, im Saal des Ost-Berliner Stadtgerichts, allein gegen alle. Als "Zuschauer" keine Eltern oder Freunde, nur ein Dozent und die Parteisekretärin Monika Maron von der Schauspielschule und eine Handvoll Stasileute. Richterin und Staatsanwalt unterbrechen, attackieren oder belehren die gerade mal 20-jährige Angeklagte. Sie sei, wirft ihr der Staatsanwalt hämisch vor, "wie ein Dieb des Nachts heimlich durch die Straßen der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik" geschlichen und habe dort "verbrecherische und hetzerische Losungen verteilt."

Die junge Frau heißt Bettina Wegner und versucht offen und ehrlich ihre "Tat" zu erklären, dem Gericht ihre Empörung über die Erschossenen von Prag irgendwie verständlich zu machen. Die Bilder von Leichen und "Jugendlichen, die eine blutbefleckte Fahne hoch empor trugen", hätten sie erschüttert. Und da sie ihre Meinung nicht auf den Ost-Berliner Straßen hätte äußern können, habe sie einen Weg gesucht, sie dennoch kundzutun. Daher habe sie einfach Stift und Schreibpapier genutzt: "Hände weg von Prag", "Stalin lebt" oder "Hoch Dubcek". Alexander Dubcek, der Reformer, von dem sie befürchtete, man hätte ihn auch erschossen.

Bild
Flugblatt 1968

Weiter mit dem Bericht, Fotos und einem Video hier:
http://www.spiegel.de/einestages/ddr-wi ... 55416.html
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 8. Oktober 2016, 09:14

Er hat ihnen Hoffnung gegeben
von Ursula Plog

Jürgen Fuchs als Mitarbeiter des »Treffpunktes Waldstraße«

Der Schriftsteller und Psychologe Jürgen Fuchs ist im Alter von 48 Jahren am 9. Mai 1999 gestorben.

»Er war einer, der Nein sagen konnte. Er hielt an der Wahrheit fest, auch wenn sie unbequem war. Er wußte sich Feinde zu machen.«

Mit diesen Sätzen beginnt die Erklärung, die der Rowohlt Verlag Berlin zum Gedanken an seinen Autor Jürgen Fuchs veröffentlichte. Jürgen Fuchs hat sich in all seinen Büchern und Aufsätzen, in vielen Stellungnahmen und öffentlichen Diskussionen mit den Mechanismen beschäftigt, die die DDR zur Unterdrückung ihrer Kritiker nutzte. Diese Beschäftigung war nicht nur das private Interesse, das von dem eigenen Erleben von Gefängnis, Verhören, Einzelhaft herrührte, es war auch nicht nur das Interesse des Schriftstellers an der Entwicklung von Charakteren und Strukturen. Es war auch das Interesse des Psychologen, der sich für die Bedingungen von Leben in Verantwortung und Freiheit interessiert.
Ich will die berufliche-psychologische Arbeit beleuchten und diese Seite meines Freundes Jürgen Fuchs würdigen.

Jürgen Fuchs hat fast 20 Jahre als Mitarbeiter des Treffpunktes Waldstraße in Berlin-Moabit mit Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung ihrer Lebensprobleme geholfen. Er tat dies mit seiner Frau zusammen. Sie hatten sich eine Stelle geteilt. Damit konnten beide als Mann und Frau, als elterliche Figuren, als Erwachsene für die Kinder und die Jugendlichen einen sozialen und emotionalen, aber auch einen ganz wirklichen Raum mit Marmeladenbrot, Fürsorge und Schularbeiten, Höhlen schaffen, der für die Kinder und Jugendlichen förderlich war. Zugeordnet ist diese Stelle dem Drogenreferat der Berliner Senatsverwaltung für Schule, Jugend, Sport. Sie dient der Suchtprophylaxe.
Die Ausbildung zum Psychologen, die Jürgen Fuchs in Jena erhalten hat, hat in seinem Leben die Möglichkeit beruflicher Kontinuität gegeben.

Hier geht es weiter:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 2607-plog/
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 1. November 2016, 11:36

»Lied für einen Augenblick im Mai«

Eine Erinnerung an Jürgen Fuchs
Am Freitag, dem 7. Mai 1999, klingelte gegen 10:30 Uhr mein Telefon. Wenige Augenblicke später hörte ich am anderen Ende der Telefonleitung Jürgens Stimme. Sie klang klar, aber dünn. Dem Ton, den Jürgen aufnahm, entströmte Ruhe und Behutsamkeit. Er sprach bedächtig. Wie so oft in den vergangenen Jahren fragte er: »Na! Was machste denn? Stör ich Dich? Ich weiß von Lilo, daß Du zu Hause bist!« Ich habe diese fast immergleiche Gesprächseröffnung über die Jahre hinweg liebgewonnen. Wenn Jürgen so einstieg in die telefonische Begegnung, ging es meist länger zu zwischen uns, denn alles war zu wälzen, was zu wälzen war.

Wenn er so einstieg, gab es Zeit und Raum, die unendlich erschienen. Das vermochte Jürgen: Räume eröffnen und Räume, sprachliche und mentale, offenzuhalten. An diesem Freitag sagte er mir zuerst seine Meinung über einen Hans-Sahl-Essay, den ich gerade veröffentlicht hatte. Lilo hatte ihm das Buch in die Klinik gebracht. Er freute sich und wir sprachen noch weiter über Hans Sahl, vor allem darüber, daß wir seine Gedichte und Prosa mit hineingenommen haben in diese nervenden Angelegenheiten DANACH, in die Kälte und den Wahnwitz der Aktenkammern. Dann sprach ich ihm vom argentinischen Dichter Roberto Juarroz, dessen »Vertikale Poesie« ich schon eine Zeit lang am Wickel hatte und sagte die folgenden Verse durch den Draht:

Manchmal möchte ich alle meine Verse tilgen,
um zum ersten Mal ein Gedicht zu schreiben.
Alles Geschriebene reicht mir nicht,
um zu spüren, daß ich eins geschrieben habe.

Es reicht auch nicht aus, gelebt zu haben:
das Leben beginnt immer erst jetzt.

Oft sagten wir uns kleine Gedichte oder Verse oder Prosafragmente durchs Telefon. Als Verstärkung für eine gerade beginnende Arbeitswoche, oder als Impuls zur Einkehr, zum Innehalten – wenn die Sauereien in den Akten zu einer bedrückenden Bürde im eigenen Gemüt angewachsen waren. Oder wenn dem Amt wieder einmal administrativer Hochmut und Maßregelungen unter der Zunge schwitzten. Einmal, an einem Freitagnachmittag im Juli 1997, Jürgen saß zu dieser Zeit bereits über den weißen Blättern zu seiner »Magdalena«, kroch eine Papierschlange aus dem Fax-Gerät im Amt, auf deren Haut Jürgen ein Gedicht von Anna Achmatowa gepinselt hatte:

MIT DEM STROHHALM trinkst du meine Seele.
Ihr Geschmack ist, ich weiß, cocktail-bitter.
Nur die Folter nicht stören durch Flehen.
Meine Ruhe – seit Wochen ein Mittel.

Bist du fertig, so sags mir. Nicht traurig –
Meine Seele ist nicht mehr auf Erden.
Ein Stück Weg geh ich noch und dann schau ich
Wie die Kinder dort spielen werden.

Stachelbeersträucher stehen in Blüte,
Hinterm Zaun fahren sie Ziegel in Kisten
Wer bloß bist du: mein Bruder? Geliebter?
Ich weiß nicht mehr, brauchs nicht zu wissen.

Nur – wie hell ist es hier, wie verwahrlost,
Müder Körper, er atmet schon besser...
Die Passanten wohl denken sich harmlos:
Wahrscheinlich ist sie Witwe seit gestern.

Zarskoje Selo, 10. Februar 1911


Damals, ich hielt das Gedicht gerade einen Moment lang in meinen Händen und überflog ein erstes Mal die Verse, kicherte parallel dazu mein Diensttelefon und ich vernahm eine mir bekannte Stimme: »Jürgen! Na, hast Du´s gelesen? Ist das nicht schön, mit dem Strohhalm und der Seele!? Tschüß!« Und schon war er wieder aus der Leitung.


Den vollständigen Beitrag findet man hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 2-schmidt/

Menschen wie Jürgen Fuchs dürfen nicht vergessen werden, sie kämpften gegen diese SED - Diktatur, für Menschenrechte und gegen Unfreiheit und haben dabei - wie er - ihr Leben gelassen!!
Interessierter
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 16. November 2016, 14:43

Suche nach dem Sinn - Zum Tode meines Onkels Jürgen Fuchs

Erinnern, zurückblicken, in Gedanken unser Lachen einfangen, unser lautes Lachen und Reden in Jürgens Küche. Komm Lilo, laß uns noch einmal die Weingläser füllen, Kuchenstücke abschneiden. Morgen besetzen wir den Spielplatz mit unseren Kindern...

Und die Welt blieb nicht stehen, nicht einen kurzen Augenblick am 9. Mai 1999. Es war so schönes Wetter, furchtbare Gegensätze. Da der Tod, auf einem Krankenbett in einem sterilen Kliniksgebäude und draußen das satte Grün, der Neubeginn, die Wiedergeburt der Natur. Die Welt hielt den Atem nicht an, aber unser Leben hat sich von einer Sekunde zur anderen verändert. Es wird nie wieder so sein wie es war.

Als ich Jürgens Krankenzimmer betrat, standen Jürgens Frau Lilo, seine Töchter Jenka, Lili und meine Mutter, Jürgens Schwester, im Zimmer und er lag im Bett. Meine Mutter stürzte auf mich zu und schrie, es wäre doch nicht wahr, nein Simone, das ist nicht wahr. Ich stand ganz nah bei ihm, mir schien, als ob sein Herz noch schlägt... Jetzt zaubern können, Hand auflegen und glauben, daß alles doch gut wird. Am Schluß von »Magdalena« schrieb Jürgen: »Hab Märchen gelesen, sagt Simone, dornenreicher Weg, aber das Gute wird siegen! Ich hab den Schlüssel, dachte ich, ich bin besser als die alten Säcke in der Regierung! Angst hatte ich auch... Und, frage ich. Mein Schlüssel paßte! Sie fletzt auf dem Sofa und ißt Nougatspitzen... Zwei Kinder, ein Mann, die Diktatur im Arsch, Studium abgeschlossen! Was will ich mehr?«

Was will ich mehr? Jetzt eine Zugabe: Das Märchen ist aus. Das Gute hat ins Gras gebissen? Die alten Säcke sitzen wieder sicher auf ihrem Thron. Die Namen Gysi, Stolpe und Co als Symbole der vergangenen Tage, die Aushängeschilder der DDR frisch und fröhlich bei ihrer politischen Arbeit. Und ich gehe Blumen kaufen für Jürgens Grab.

Jetzt den Sinn finden, begreifen, warum Jürgen tot ist. Es ist für mich nicht möglich. Doch weiß ich genau, daß dieser Tod nicht Schicksal war, sondern vorsätzlich gewollt, es wurde Hand angelegt. Jetzt verstehe ich, warum Jürgen nicht in den Knast nach Bautzen kam, sondern freigekauft werden durfte.

Meine Großmutter, Jürgens Mutter, fragte mich, ob sich denn das ganze politische Aufbegehren überhaupt lohnte angesichts dieses furchtbaren Endes? Ja, sage ich. Der Lohn ist nicht dieser beschissene Tod, sondern das, was Jürgen geschafft hat in seinem kurzen Leben. Die Verantwortung für den Tod trägt nicht Jürgen, sondern tragen die Stasioffiziere und andere Funktionäre der DDR-Diktatur, die die Befehle gaben für Menschenrechtsverletzungen, für Zersetzung von Seelen, für das Zerstören von Biographien, auch hin bis zu Liquidierung von Menschen! Nein, es gab kein Tabu, sie machten vor nichts halt, da sie sich sicher und allmächtig fühlten.

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... tognienko/

Die Opfer dieses verbrecherischen Systems sollten wir nie vergessen. Auch nach 27 Jahren erinnere ich an sie, die auch dazu beigetragen haben, dass es möglich wurde diese SED - Diktatur vom eigenen Volk davonzujagen. Was kümmern da heute die Anfeindungen von ehemaligen Dienern dieses Regimes!!
Interessierter
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Volker Zottmann » 16. November 2016, 16:32

Interessierter hat geschrieben: Was kümmern da heute die Anfeindungen von ehemaligen Dienern dieses Regimes!!



Ein ganz toller Satz , Wilfried. [denken]

Fast schon als Homage an Jürgen Fuchs zu lesen.... so empfinde ich den Text, die klaren Worte seiner Nichte Simone Stognienko.
Es lohnt, den gesamten Text zu lesen!

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 16. November 2016, 17:39

Was hatte dieser Mann nur für eine Kraft, dass sich die Stasi so vor ihm fürchtete? Er muss sie ins Herz getroffen haben....
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 19. Februar 2017, 09:19

Das es sehr oft junge Menschen waren, die zu allen Zeiten opponierten, ist im Forum häufig nachzulesen. Ergänzend zu den Ausführung aus dem Jahr 2012 unter " Es passierte Heute " das Nachstehende.

Thomas Ammer

Bild

Eisenberg, Sommer 1953. Thomas Ammer und einige seiner Mitschüler denken intensiv über die Bildung einer Widerstandsgruppe nach. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Oberschüler sind empört, dass Mitglieder der Jungen Gemeinde (JG) verfolgt werden, und sie stehen unter dem Eindruck des niedergeschlagenen Aufstands am 17. Juni 1953. Der neuerliche Wahlschwindel der SED im Oktober 1954 veranlasst die Schülergruppe schließlich, den langen Diskussionen Taten folgen zu lassen. Sie stellt ein handgeschriebenes Plakat her. Darauf steht:

„Deutscher! Was hat die bisherige bolschewistische Herrschaft gebracht? Entziehung der freien Meinungsäußerung, der Versammlungs- und Pressefreiheit, des Streikrechts. Immer noch kriegsmäßiges Kartensystem, HO-Wucherpreise und rücksichtslose Ausbeutung. Willst du das alles noch länger mit ansehen? Deshalb stimme mit deinen verlässlichen Arbeitskameraden gegen die sog. Nationale Front!“

Im Schutze der Dunkelheit kleben die Schüler einige Exemplare dieses Aufrufs an Hausmauern in der Stadt.


Einige Wochen später klettern sie nachts in das Heimatmuseum, um aus dem Ersten Weltkrieg stammende Waffen zu entwenden. Allerdings finden sie keine brauchbaren Stücke und lassen lediglich zwei Vorderlader aus dem frühen 19. Jahrhundert mitgehen. Zusätzlich gelangen sie in den Besitz einer alten Pistole aus dem Bestand von Joachim Marckstadts Vater, der als Förster tätig war. Sie wird gut versteckt und niemals verwendet. Diese Aktionen zeigen die fließende Grenze zwischen Abenteuerromantik und politischer Aktion.

Die Gruppe, die später der Eisenberger Kreis genannt wird, konzentriert sich bis 1955 auf Flugblattaktionen und Parolen an Häuserwänden. Meist ziehen die Jugendlichen in Zweiergruppen los. Thomas Ammer malt mithilfe einer vorgefertigten Pappschablone fünfzackige rote Sterne auf Hausmauern. Sie sind im Durchmesser etwa zehn Zentimeter groß und mit Fahrradlack an die Wand gepinselt. Sein Begleiter streicht das Sowjetsymbol mit schwarzer Farbe durch.

Am 21. Januar 1956 gegen 23 Uhr treffen sich Thomas Ammer, Peter Herrmann, Günter Schwarz, Reinhard Spalke und Wilhelm Ziehr an einem Eisenbahnübergang in der Nähe der Stadt. Das Ziel des nächtlichen Ausflugs ist ein Schießstand der Gesellschaft für Sport und Technik (GST), der Volkspolizei und der SED-Kampfgruppen. Thomas Ammer bringt Holzwolle, trockenes Holz und eine Flasche Brennspiritus mit, Reinhard Spalke eine Flasche Petroleum und Peter Herrmann drei Flaschen Benzin aus dem Autotank seines Vaters.

Peter Herrmann, Thomas Ammer und Wilhelm Ziehr beziehen Posten, Reinhard Spalke und Günter Schwarz stapeln die im Schießstand stehenden hölzernen Tische übereinander, verteilen Holzwolle und Brennholz und übergießen den ganzen Stapel mit brennbaren Flüssigkeiten. Dann legen sie Feuer und machen sich getrennt auf den Heimweg. Die verbrannten Reste des Schießstands am Rande der städtischen Sportanlagen sind noch lange zu sehen. Damit haben die Schüler ein Zeichen gegen die Militarisierung der DDR-Gesellschaft gesetzt.

Mit dem Abschluss der Schule und dem Studienbeginn in Jena verlagert sich Thomas Ammers Tätigkeit in die thüringische Universitätsstadt. Die letzte größere Aktion der Gruppe bereiten Thomas Ammer und Peter Herrmann im September 1957 vor. Sie planen einen Aufruf an die mitteldeutschen Hochschullehrer. Sie schreiben einen Text, kaufen in kleinen Mengen Schreibpapier und Briefumschläge und besorgen sich ein Vervielfältigungsgerät.

Im Oktober 1957 stellen sie in zwei Nächten ungefähr 400 Exemplare des Aufrufs her. Da trotz vielfältiger Vorsichtsmaßnamen doch Fingerabdrücke auf die Flugblätter geraten, wird die Aktion abgeblasen. Außerdem beobachtet die Staatssicherheit jetzt jeden Schritt der Gruppe.

Am 13. Februar 1958 wird Thomas Ammer verhaftet. Von den 24 Angeklagten erhält er mit 15 Jahren Zuchthaus das höchste Strafmaß. 1964 wird Thomas Ammer von der Bundesregierung freigekauft.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... omas-ammer
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