DDR - Oppositionelle

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Nostalgiker » 19. Februar 2017, 12:57

Interessante Lebensgeschichte ....
War Mitglied der JG, fühlte sich "Verfolgt", machte Abitur und begann ein Studium ......

Sich Waffen beschaffen als Abenteuerromantik und politischer Aktion zu beschreiben hat was .....
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 25. Februar 2017, 13:49

Hildegart Becker

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Frankfurt (Oder), Winter 1968. Das Gemeindehaus mit der Pfarrerswohnung, in dem Hildegart Becker zu Hause ist, und die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit liegen nur wenige Schritte voneinander entfernt. In der Zelle hört Hildegart Becker die Glockenschläge der Kirche. Nur deswegen weiß die 17-Jährige, wo sie ist.

Am 15. Dezember 1968 schreibt sie einen Kassiber (= geheime Botschaft eines Gefangenen) an ihre Eltern: „Jeden Abend warte ich auf das Läuten, und dann denke ich an Euch. Gestern Abend hörte ich die Orgel. Das freute mich gewaltig. Ich stand am Fenster und hörte zu [...].“ Als ihr Vater sie im Gefängnis besucht, gelingt es ihr, von den Bewachern unbemerkt den Kassiber von Ärmel zu Ärmel an ihren Vater zu übergeben.

Was reißt die Pastorentöchter Hildegart Becker und Gerlinde Becker aus Frankfurt an der Oder aus den wohl behüteten Verhältnissen heraus und bringt sie in die Knastzellen der Stasi?

Die Kirchengemeinde Frankfurt (Oder) unterhält Partnerschaftsbeziehungen zu einer Gemeinde in Mähren (ehemalige Tschechoslowakei). Dort fahren die beiden Schwestern mit einigen Freundinnen regelmäßig hin. Sie arbeiten in einer sogenannten Waldbrigade, da die Jugendarbeit der Kirche in der CSSR untersagt ist. Im Sommer 1968 spüren die Mädchen die Veränderungen im sozialistischen Nachbarland deutlich: Es herrscht ein neuer, freier Ton. Die Tschechen wollen alles besser machen als bisher. Sie streben eine menschliche Gesellschaft ohne Ausbeutung an, aber auch ohne die Unfreiheit, die bis dahin den Sozialismus bestimmt.

Als Hildegart Becker und ihre Freundinnen wieder zu Hause sind, verfolgen sie die politischen Nachrichten aufmerksam: Es wird berichtet, dass sich drohende Wolken über der Tschechoslowakei zusammenschieben. Nach einigen Tagen Ruhe vor dem Sturm fallen in der Nacht zum 21. August 1968 die Panzerdivisionen des Warschauer Paktes in der CSSR ein. Auch in Frankfurt (Oder) sieht man die sowjetischen Truppentransporte in Richtung Süden rollen. Die Mädchen fragen sich: Was soll man gegen eine so gewaltige Übermacht tun?

Hildegart Becker geht zu einer Freundin, die eine Schreibmaschine hat. In ihrer Empörung entwerfen beide ein Flugblatt und tippen mit vier oder fünf Durchschlägen kleine Zettel:

„Jeder Staat hat ein Recht darauf, seinen Weg selbst zu bestimmen. Die Besetzung der CSSR ist eine grobe Einmischung in die Innenpolitik dieses Staates. Kann man von einer Konterrevolution sprechen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung hinter Svoboda und Dubcek steht und ihrer Politik zustimmt?“

Sie stecken die Zettel in Briefumschläge und verschicken sie. Später hilft auch Hildegart Beckers große Schwester Gerlinde Becker mit. Sie besorgt eine Schreibmaschine aus dem Gemeindebüro. Die Mädchen arbeiten das Frankfurter Telefonbuch bis zum Buchstaben K ab. Dann sind die großen Ferien vorbei. Gerlinde Becker fährt zum Studium nach Greifswald. Hildegart Becker geht wieder zur Schule. Doch inzwischen ermittelt die Stasi bereits hektisch, und es dauert nicht lange, bis klar ist, wer hinter der Aktion steckt.

Am 18. September wird Gerlinde Becker aus der Vorlesung heraus zum Rektor der Universität Greifswald gerufen. Dort warten Mitarbeiter der Stasi auf sie, die sie nach Frankfurt (Oder) bringen. Sie fahren sie jedoch nicht nach Hause in die Pfarrei, sondern direkt ins Gefängnis. Die Familie ahnt von allem nichts. Am nächsten Morgen wird Hildegart Becker auf dem Schulweg von Stasi-Leuten angesprochen: „Sind Sie Fräulein B.?“ Als sie die Frage bejaht, fordern die Beamten sie auf, in einen bereitstehenden PKW zu steigen. Dann beginnen die Verhöre.

In ihrem Brief an die Eltern entschuldigt sich Hildegart Becker: „Es ist mir klar, dass wir Euch genug Scherereien, Schwierigkeiten und Sorgen machen, und ich bitte Euch damit um Verzeihung.“ Dennoch steht sie zu ihrer Haltung: „Im Umschlag von Gerlindes Bibel war mal ein Flugblatt, falls es noch da ist, könnt ihr es ansehen, aber dann gut und sicher weglegen.“

Offenbar aus Rücksicht auf die Kirche verzichtet die Staatsmacht auf einen Prozess gegen die beiden Pfarrerstöchter und deren Freundin. Sie kommen kurz vor Weihnachten 1968 aus dem Gefängnis frei.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... art-becker
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon dein1945 » 25. Februar 2017, 14:27

von Interessierter » 25. Februar 2017, 13:49
Offenbar aus Rücksicht auf die Kirche verzichtet die Staatsmacht auf einen Prozess gegen die beiden Pfarrerstöchter und deren Freundin. Sie kommen kurz vor Weihnachten 1968 aus dem Gefängnis frei.

Andere kommen für drei Jahre in den Knast weil sie genau zu diesem Ereignis 1968 auf ihrer Arbeitsstelle den Feindsender „RIAS“ hörten, erst Haftarbeitslager des MfS in Hohenschönhausen dann Rummelsburg, freigekauft 1972, einer war ein Kollege von mir.
Vorgefallen im Kraftwerk Friedrichshain in der Nachtschicht.

Gruß aus Berlin Achim
Man(n) muß wissen wenn Schluß ist !
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 28. Februar 2017, 10:57

Achim Beyer (* 1932 in Werdau)

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Werdau, Winter 1950. Der Direktor der Alexander-von-Humboldt-Oberschule erteilt dem 17-jährigen Schüler Achim Beyer eine Aufgabe: „Du übernimmst zum ‚Tag des jungen Widerstandskämpfers` am 23. Februar das Referat über die Geschwister Scholl!“ Zur Vorbereitung auf den Vortrag gibt der Rektor Achim Beyer eine gedruckte Ausgabe der Flugblätter aus dem Kreis der Münchener Studenten, die gegen Hitler gekämpft haben. Die Aufrufe der sieben Jahre zuvor hingerichteten Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl scheinen direkt an ihn gerichtet zu sein.

Vorher schon wird Achim Beyer von einem Mitschüler ein Reclam-Heft zugesteckt – dem Umschlag nach ein Band über die Revolutionsliteratur von 1848. Doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine im Westen produzierte Tarnschrift: Im falschen Einband befindet sich George Orwells Roman 1984, der in der DDR verboten ist. Die Parallelen sind jungen Menschen in der DDR der frühen 1950er Jahre nur allzu deutlich: Der Große Bruder in Orwells Buch trägt die Züge von Josef Stalin. Das beschriebene totalitäre System erinnert stark an die aktuellen Zustände in der DDR.

Schon längere Zeit diskutieren die Schüler intensiv über die Situation in der soeben gegründeten Republik. Viele lehnen sich empört gegen die neuerliche Errichtung einer Diktatur auf. Eine offene Diskussion scheint aber aussichtslos und gefährlich. So beschließen sie, nach dem Vorbild der Münchner Studentengruppe Weiße Rose heimlich Flugblätter zu verteilen.

Die ersten Flugblätter werden ganz einfach mit einem Handdruckkasten hergestellt. In den Gerichtsakten und den Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit ist diese Herstellung minutiös geschildert. Die Originale sind nicht erhalten, wohl aber die Texte: „Wir sehnen uns nach Frieden, nach der Einheit Deutschlands in Freiheit – Weg mit den Volksverrätern, wählt mit NEIN!“

Achim Beyer ist das Risiko klar, das er mit Aktionen wie dieser eingeht. Als Strafe kann ein Todesurteil verhängt werden. Trotzdem macht er mit seinen Freundinnen und Freunden weiter. Als Liebespärchen getarnt, verteilen die Jugendlichen in Zweiergruppen nachts ihre Flugblätter und schreiben Parolen an Häuserwände.

In der Nacht zum 19. Mai 1951 werden zwei Gruppenmitglieder auf frischer Tat beim Verteilen von Flugblättern ertappt. Am nächsten Morgen verbreitet sich die Nachricht in der Schule. Für Achim Beyer beginnt eine abenteuerliche Flucht, die schließlich mit seiner Verhaftung endet. Am Tag seines 19. Geburtstags wird er zu einer Zuchthausstrafe von acht Jahren verurteilt.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... chim-beyer
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 2. März 2017, 09:39

Till Böttcher

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Berlin, Herbst 1987. Till Böttcher kommt durch den Liedermacher Stefan Krawczyk zur Umwelt-Bibliothek (UB). Nach dessen Konzert in der Berliner Stadtmission der Evangelischen Kirche fragt er ihn, wie und wo man sich in Berlin politisch engagieren könne. Zunächst ist Till Böttcher nur Besucher der UB, doch bald beginnt er, in der Galerie und in der Bibliothek mitzuarbeiten. Schließlich wird er in den engeren Kreis der Drucker aufgenommen, zu dem auch Uta Ihlow und später Frank Ebert gehören.

Als die UB in der Nacht vom 24. zum 25. November 1987 von der Staatssicherheit überfallen wird, ist auch Till Böttcher anwesend. Er wird „zugeführt“, das heißt: festgenommen. Der damals 17-Jährige erinnert sich heute an die absurde Situation während der Razzia: Im Hintergrund lief nämlich die ganze Zeit „Keine Macht für niemand“, gesungen von der Westberliner Band Ton Steine Scherben. Von der Stasi kommt offensichtlich niemand auf die Idee, den Kassettenrecorder auszuschalten. Till Böttcher wird 23 Stunden festgehalten und verhört, das Ermittlungsverfahren wird jedoch eingestellt.

Seine nächste Begegnung mit der Staatssicherheit findet am 17. Januar 1988 statt, als er mit Andreas Kalk und Bert Schlegel versucht, auf der offiziellen Demonstration zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht eigene Transparente zu zeigen. Auf ihnen steht ein berühmtes Zitat von Rosa Luxemburg: „Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden“. Till Böttcher wird ins Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen gebracht und, obwohl erst 17 Jahre alt, wie ein Erwachsener verurteilt: zu einem Jahr Haft ohne Bewährung.

Dank der Bemühungen der Kirche und des zunehmenden öffentlichen Drucks werden Till Böttcher und sein Freund Andreas Kalk nach drei Wochen Untersuchungshaft entlassen. Bert Schlegel reist in die Bundesrepublik aus und organisiert dort mit Freunden eine Unterstützergruppe für die Berliner UB.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... -boettcher

Aber die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, meinen auch heute noch manche... [flash]
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 2. März 2017, 19:48

Interessierter hat geschrieben:Aber die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, meinen auch heute noch manche... [flash]


Obwohl du mit den unzähligen Beiträgen aus dem Leben das Gegenteil bewiesen hast... [blush]
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 3. März 2017, 07:14

Solche Verklärer gibt es ja nicht nur bezüglich der DDR - Diktatur, sondern heute sogar auch noch bezogen auf die Hitler - Diktatur.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 10. März 2017, 12:48

Roland Bude

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Rostock, Wintersemester 1948/49. Roland Bude erhält eine Studienzulassung für die Universität Rostock. Er möchte dort sein 1947 in Jena begonnenes Studium der Slawistik fortsetzen, da die für Jena angekündigten Slawistik-Professoren ausbleiben. Rostock lockt ihn außerdem wegen des Ostseestrandes und der großen Landwirtschaftsgüter der Universität. Die Studenten werden dort zusätzlich mit Lebensmitteln versorgt. Die Versorgungslage in Jena ist vor allem zu Zeiten der Leipziger Messe dürftig: Auf die Fettmarken gibt es dort kein Fett mehr, sondern nur Eier, Käse und Zucker. Das Gleiche gilt auch für die Fleischmarken.

In Rostock angekommen, gerät Roland Bude in die turbulente Gründungsphase der Hochschulgruppe der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Er lernt deren Vorsitzenden Arno Esch kennen, der sich als Studentenvertreter gegen die Machtübernahme durch die SED wehrt. Für Roland Bude ist Arno Esch in der Auseinandersetzung mit der SED der überzeugende Wortführer. Als politisch wacher und interessierter junger Mann liest Roland Bude die Artikel Arno Eschs in der Norddeutschen Zeitung und greift dessen Argumente auf.

Im Oktober 1949 werden Arno Esch und mehrere seiner Freunde von der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet. Arno Esch wird zum Tode verurteilt und 1951 in Moskau erschossen.


Roland Bude beschließt, einen anderen Weg des Widerstands zu gehen. Er versucht, viele Studenten, die der SED fern stehen, zum Eintritt in die FDJ zu bewegen. Ein schlauer Schachzug, denn so können sie die Mehrheitsverhältnisse verändern und auf Entscheidungen, wie die Vergabe von Stipendien, Einfluss nehmen. Er selbst übernimmt im Vorstand der FDJ-Hochschulgruppe die Bereiche Kultur und Erziehungsarbeit. Zugleich wird er im Studentenrat Kulturreferent. Seine Heimfahrten nach Thüringen nutzt er, um einen Zwischenaufenthalt in West-Berlin einzulegen. Dort knüpft er Kontakte mit geflüchteten Studenten der Universität Rostock.

Als die SED-Leitung erkennt, dass die FDJ zum Sammelbecken oppositioneller Studenten wird, schlägt sie zu. An einem heißen Julitag im Jahre 1950 wird Roland Bude unter einem Vorwand zum Verwaltungsdirektor der Universität bestellt. Dort warten Mitarbeiter der Staatssicherheit auf ihn. Er wird in die Stasi-Zentrale gebracht und beschuldigt, westliches Schrifttum eingeschleust zu haben.

Man schlägt ihm vor, doch für die Staatssicherheit als Spitzel tätig zu werden und in die SED einzutreten. Als Roland Bude dies sofort ablehnt, wird er den sowjetischen Behörden übergeben. Ein verhafteter Kommilitone verrät der Staatssicherheit, dass Roland Bude Kontakt zu geflüchteten Studenten in West-Berlin unterhält. Nach langen, harten Verhören bekennt er sich im Sinne der sowjetischen Interpretation der Gesetze schuldig.

Am 31. Oktober 1950 verurteilt ihn das Sowjetische Militärtribunal (SMT) in Schwerin wegen „Spionage und antisowjetischer Hetze“ zu zweimal 25 Jahren Besserungsarbeitslager, so die offizielle Bezeichnung. Er wird zur Zwangsarbeit nach Workuta in ein Straflager besonders strengen Regimes nördlich des Polarkreises verschleppt. Dort erlebt Roland Bude im Sommer 1953 den verzweifelten Aufstand der Häftlinge gegen das Zwangssystem mit. Erst 1955 kommt er frei und kehrt zu seiner Familie zurück, die inzwischen in München lebt.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... oland-bude

Ein weiterer Beleg, dass von Beginn an Terror, Willkür und Unterdrückung in dieser SED Diktatur herrschte.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 11. März 2017, 12:46

Verweigerung der Reiseerlaubnis

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Ein wichtiger Grund für die große Zahl der Ausreiseanträge ist die fehlende Reisefreiheit für DDR-Bürger. Während ihre westdeutschen Altersgefährten in den Sommerferien nach Italien oder Portugal fahren, als Au-Pair nach Frankreich gehen oder zum Schüleraustausch in die USA fliegen, dürfen sich die Jugendlichen in der DDR ihre Reiseziele nicht selbst aussuchen. Zwischen den 1960er und 1980er Jahren gibt es für sie nur wenige Alternativen für einen Aufenthalt außerhalb der DDR.

Weitgehend unbeschränkte Reisemöglichkeiten bestehen in die Tschechoslowakei, nach Ungarn, Bulgarien und Rumänien. Für eine Reise in die Volksrepublik Polen benötigt man seit der Kriegsrechtsverhängung von 1981 ein Visum, das nur aufwändig zu beschaffen ist. Reisen zum großen Bruder, in die Sowjetunion, sind streng reglementiert, Individualtourismus ist so gut wie ausgeschlossen. Eine große Hürde für Auslandsaufenthalte sind vor allem die Finanzen, denn ein freier Umtausch von DDR-Mark in andere Währungen ist nicht möglich. Das gilt auch für die sozialistischen Bruderstaaten.

Die wenigsten Jugendlichen können sich eine Reise leisten


Reisen in den Westen – oder wie es offiziell heißt, in den „nichtsozialistischen Wirtschaftsraum“ – sind für DDR-Bürger in der Regel nicht möglich. Rentner, sofern sie keine „Geheimnisträger“ sind, dürfen seit 1964 unter bestimmten Bedingungen in die Bundesrepublik reisen. Es muss aber ein besonderer Anlass und eine Einladung vorliegen. Falls sie nicht wieder in die DDR zurückkehren, so das zynische Kalkül der SED-Oberen, spart sich der ostdeutsche Staat die Rente.

Allein über die FDJ-Reiseorganisation Jugendtourist wird Reisegruppen aus streng ausgewählten, politisch zuverlässigen Kadern gelegentlich die Möglichkeit eröffnet, in den Westen zu fahren. Wer nicht zu diesen privilegierten Gruppen gehört, hat keine Chance, in die Bundesrepublik zu reisen. Die Reisegesuche werden mit den immer gleichen Begründungen abgewiesen.

Ein Beispiel ist der Antrag eines Jugendlichen aus Gersdorf, der 1988 seine in der Bundesrepublik lebende Großmutter zu ihrem 79. Geburtstag besuchen will. Dem jungen Mann wird die Reise mit der Begründung verweigert, dass er seinen Wehrdienst noch nicht absolviert habe. Doch diese Absage ist eine Farce: Sobald er seinen Wehrdienst nämlich abgeleistet hat, ist er „militärischer Geheimnisträger“ und kann erst recht keine Reiseerlaubnis erhalten. Der schriftliche Protest, den der Jugendliche einlegt, bleibt ohne Erfolg.

Angesichts dieser Perspektivlosigkeit ist es nicht verwunderlich, dass sich vor allem junge Menschen entschließen, diesem Land für immer den Rücken zu kehren – auf legalem oder illegalem Weg.

https://www.jugendopposition.de/themen/ ... eerlaubnis
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 11. März 2017, 19:09

Ein Beispiel ist der Antrag eines Jugendlichen aus Gersdorf, der 1988 seine in der Bundesrepublik lebende Großmutter zu ihrem 79. Geburtstag besuchen will. Dem jungen Mann wird die Reise mit der Begründung verweigert, dass er seinen Wehrdienst noch nicht absolviert habe.


Schlechter Witz! Daran erkennt man, dass man nicht wusste, wie man das begründen sollte. [flash]
Eins muss man aber sagen, eine Begründung gab es meist gar nicht. Die DDR Behörden begründeten die Ablehnung auf ein Ersuchen nicht, so hieß es.

Es ist schon richtig, wer konnte sich eine Reise leisten? Ich auch nur deshalb, weil ich den kleinen Lehrlingslohn ein Jahr sparte, sparen konnte.
Dann reichte es für eine 2 wöchige Jugendtouristreise an Schwarze Meer. Die kostete so um 800-900 DDR Mark.
Fast wäre ich mal in die Mongolei gekommen, aber es war einfach zu teuer. 1400 Mark für keine 2 Wochen.

Obwohl, das war günstig im Vergleich zu dem, was man als normaler Bürger zu zahlen hatte. Die gleiche Reise kostete dann locker das 2-3 fache.

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 13. März 2017, 10:37

Dorothea Fischer

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Jena, Frühling 1981. Am 12. April 1981 stirbt Matthias Domaschk während eines zweitägigen Stasi-Verhörs in Gera. Der Tod ihres Freundes schockiert und radikalisiert die Jugendlichen. Dorothea Fischer, 20 Jahre alt, denkt: „Wenn das die Realität ist, dann muss ich auch krasser werden.“

Dorothea Fischer gehört zu den Begründern der Friedensgemeinschaft (FG) Jena. Sie ist es, die das Konzeptpapier der FG entwirft. Der Initiative ist es wichtig, mit ihren Ideen an die Öffentlichkeit zu treten und zu zeigen, dass eine Friedensbewegung in der DDR existiert. Damit wollen die Mitglieder auch anderen Menschen Mut machen, für ihre Ideen einzustehen.

Im Frühling 1983 ist Dorothea Fischer an einer spektakulären Aktion der FG Jena beteiligt. Zusammen mit Andreas Friedrich, Roland Jahn und anderen Jenensern nimmt sie an einer offiziellen Demonstration zum Gedenken an die Bombardierung Jenas teil. Nur, dass die Gruppe ihre eigenen Transparente dabei hat. Mit Losungen wie „Militarisierung raus aus unserem Leben“ macht sie ihrem Ärger Luft. Dem Staat sind derartige Aktionen ein Dorn im Auge, und er beginnt die Aktion "Gegenschlag“: Durch Observierungen und Verhaftungen will er die jungen Oppositionellen einschüchtern und dazu bringen, Ausreiseanträge zu stellen.

Dorothea Fischer hat mit ihrer Familie bereits vor der Gründung der FG Jena einen Ausreiseantrag gestellt, da ihrem Mann wegen Wehrdienstverweigerung eine lange Haftstrafe droht. Als ihr die Friedensaktionen und die erfahrene Solidarität jedoch Hoffnung auf Veränderungen in der DDR machen, zieht sie den Antrag zurück. Doch der Staat will sie draußen haben. Die Familie muss 1983 gegen ihren Willen innerhalb von drei Tagen ausreisen.

Das Einzige, was Dorothea Fischer trösten kann, ist ein anderes Leben für ihre Kinder. Da sie danach nicht mehr in die DDR einreisen darf, trifft sich die ausgebürgerte Jenenserin mit ihren dagebliebenen Freunden fortan in der Tschechoslowakei.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... ea-fischer

Die Ähnlichkeiten mit dem heutigen Verhalten der Türkei sind verblüffend.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 18. März 2017, 12:38

Gollnick, Dieter

Dieter Gollnick wurde 1956 als drittes Kind von insgesamt vier Geschwister im Ost-Berlin geboren. Sein Vater war Verkehrspolizist und Mitglied der SED, die Mutter arbeitete damals als Telefonistin bei der Deutschen Post. Sie erschienen wie eine typische DDR-Familie, und sein Entwicklungsweg als Kind und als Jugendlicher schien vorgezeichnet zu sein.

Kurzbiographie des Zeitzeugen:

Dieter Gollnicks war Mitglied im Judo-Verein ASK Vorwärts Berlin (später Rotation Berlin), wo er zahlreiche Erfolge erzielen konnte. Anfang der 1970er Jahre wurden die Jugendlichen in der DDR aufmüpfiger. Mit 16/17 Jahren hatte auch er Kontakt zu Jugendlichen, die mit der DDR-Politik auf Kriegsfuß standen. Er gehörte zu den etwa 450 nicht gern gesehenen Jugendlichen seines Bezirkes, die der SED schon allein durch ihren unkonventionellen Stil (Flickhose, Bart und lange Haare) ein Dorn im Auge waren. Dieter Gollnick arbeitet als Lagerbereichsleiter beim VEB WTB (Waren täglichen Bedarfs) und im Großraum Berlin. 1980 heiratete er. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

Zunehmend beschäftigte sich Dieter Gollnick mit den politischen Verhältnissen seines Landes und verspürte immer mehr Unzufriedenheit über die manipulierten Wahlen, darüber das er eingemauert lebte und seine Meinung nicht frei äußern konnte. 1986 stellte die Familie deshalb einen Ausreiseantrag.Nach der Antragstellung wurde ihm seine Stellung als Lagerbereichsleiter aberkannt. Da er die Tourenpläne der Lieferfahrzeuge aufstellte galt er als Staatsfeind - er hätte ja die Versorgung der Bevölkerung negativ beeinflussen können. Für weniger Lohn sollte er als Lagerarbeiter eingesetzt werden, was er ablehnte. Daraufhin wurde ihm gekündigt, und ein Berufsverbot auferlegt, er wurde arbeitslos.

Am 20.11.1986 ging Dieter Gollnick zusammen mit dem Bruder seiner damaligen Ehefrau in der Nacht zum 21. November 1986 zum Grenzübergang Checkpoint Charlie. Beide wollten Ihre Ausreiseanträge bekräftigen indem Sie dort ihre Personalausweise abgaben und sagten, dass Sie die DDR verlassen möchten. Sie wurden daraufhin verhaftet. Zur ersten Untersuchung kam Dieter Gollnick in die Keibelstraße in Berlin. Dann folgte seine Verlegung nach Hohenschönhausen. Er berichtet von fast täglichen und zermürbenden Verhören. Trotz des psychischen Drucks, ständiger Versuche sein Schamgefühl zu verletzen und der Androhungen von Gewalt zeigte er sich nicht sonderlich einsichtig. Um den ungefügigen Häftling ruhig zu stellen bekam er Psychopharmaka eingeflößt, wie er später seinen Akten entnehmen konnte.

Am 12./13.03.1987 wurde Dieter Gollnick wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall“ nach § 214 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Gericht unterstellte ihm dass er und sein Schwager die Personalausweise nur zur Ablenkung des Postens hätten abgeben wollen, um dann in den Westen zu flüchten.Das Urteil wurde am 21. März 1987 rechtskräftig. Nach sechs Monaten Haft in Hohenschönhausen erfolgte gemeinsam mit anderen Gefangenen seine Verlegung in das Gefängnis Berlin-Rummelsburg. Hier kam Dieter Gollnick zu einem Mörder in die Zelle, der seine Frau mit einem Beil erschlagen hatte.

Von Berlin-Rummelsburg wurde Dieter Gollnick nach Karl-Marx-Stadt abtransportiert. Die Gefangenensammeltransporte per Bahn erfolgten im so genannten „Grotewohl-Express“. Diese spezielle Eisenbahnwaggons wurden zum abgeschotteten Transport aller DDR-Häftlinge verwendet. Hier waren die Gefangenen, auf engstem Raum zusammengedrängt, oft tagelang unterwegs. Er selber ist in einem solchen Wagen etwa 24 Stunden gefahren. Sie waren fünf Personen in einer Zelle von etwa 1,5 m² Fläche .Einer von ihnen musste immer stehen.

Wie es weiterging erfährt man hier:
http://www.gedenkort-kassberg.de/index. ... ick-dieter
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 18. März 2017, 13:20

Mich hat das interessiert....

Am 12./13.03.1987 wurde Dieter Gollnick wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall“ nach § 214 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.


Er ist ohne ein Gesetz zu verletzen an die Güst gegangen um sein Anliegen vorzutragen.

Das Gericht unterstellte ihm dass er und sein Schwager die Personalausweise nur zur Ablenkung des Postens hätten abgeben wollen, um dann in den Westen zu flüchten.


Wie hätte dies stattfinden sollen? Eine Unterstellung als Beweis? Ja, das war die DDR.

Auch das:
Dieter Gollnick berichtet in dieser Strafanstalt außerdem von einem Vorfall, bei dem ein Häftling brutal verprügelt wurde, weil er einem Wachhund ein Stück Brot zugeworfen hatte.


Allerdings, nach einem Jahr und 4 Monaten waren nicht viele in ihrem Ziel angekommen. Glück gehabt.

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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon andr.k » 18. März 2017, 21:37

Stellt sich doch die Frage, warum D.Gollnick nicht bei der großen Amnestie im Oktober 1987 dabei war?
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 18. März 2017, 22:26

andr.k hat geschrieben:Stellt sich doch die Frage, warum D.Gollnick nicht bei der großen Amnestie im Oktober 1987 dabei war?


Ich kenne diese Amnesty nicht. Aber soweit ich weiß, fielen nicht alle darunter, die wegen versuchter Republikflucht im Knast waren, oder?
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon andr.k » 18. März 2017, 22:50

augenzeuge hat geschrieben:
andr.k hat geschrieben:Stellt sich doch die Frage, warum D.Gollnick nicht bei der großen Amnestie im Oktober 1987 dabei war?


Ich kenne diese Amnesty nicht. Aber soweit ich weiß, fielen nicht alle darunter, die wegen versuchter Republikflucht im Knast waren, oder?
AZ

Grund der Amnestie war der bevorstehende Besuch Honeckers in der Bundesrepublik.
Am 12. Oktober 1987 kamen 24.621 Häftlinge frei. Für 2.741 Verurteilte wurde die Freiheitsstrafe nicht vollstreckt und 1.753 Verfahren wurden eingestellt. Auch wurden Untersuchungshäftlinge entlassen.

AK

P.S.: Das Thema hatten wir schon.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon augenzeuge » 18. März 2017, 22:53

Wie siehst du das mit dem "schwerwiegend"? Reichte es wirklich, an eine Güst zu gehen? Für mich war "schwerwiegend" mindestens die Anwendung von grober Gewalt.

AZ
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon andr.k » 18. März 2017, 23:43

augenzeuge hat geschrieben:Wie siehst du das mit dem "schwerwiegend"? Reichte es wirklich, an eine Güst zu gehen? Für mich war "schwerwiegend" mindestens die Anwendung von grober Gewalt.

AZ

Das "Schwerwiegend", in diesem Fall an einer GüSt, kann Dir nur @Karnak beantworten. "Schwerwiegend" in der DDR wäre doch ein neues und interessantes Thema, oder?
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon karnak » 19. März 2017, 08:37

Ob das nun"schwerwiegend" war, dass kann man sicher anzweifeln, aus heutiger Sicht natürlich völlig unangemessen. In jedem Fall war es natürlich eine bewusst getane Provokation und so was mögen Diktaturen nun mal nicht [flash] und reagieren drastisch. Auf alle Fälle musste man sich hinter ein Schild begeben auf dem stand, dass das Betreten des Grenzgebietes verboten ist. Wie hoch die Strafe dafür ist, dass man es trotzdem tut ist eine andere Frage.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Dr. 213 » 19. März 2017, 16:01

Interessierter hat geschrieben: Er selber ist in einem solchen Wagen etwa 24 Stunden gefahren. Sie waren fünf Personen in einer Zelle von etwa 1,5 m² Fläche .Einer von ihnen musste immer stehen.


Die 1,5 m² erschienen mir zuerst viel zu wenig. Ich bin bislang immer so von Abteilgröße normaler Reisezüge ausgegangen.
Ich habe dazu eben mal ein bischen im Netz gesucht und muß leider sagen, es scheint zu stimmen.
Paßt zu den Berichten über die menschenunwürdige Aufbewahrung von Gefangenen in winzigsten Barkas- Zellen, den Besenschränken in Gerichtsgebäuden
und den Menschen- Vogelkäfigen in Größe und Form einer Telefonzelle. So einen Käfig sah ich kurz vor meiner Flucht im Nachbarraum meiner Sammelzelle.

Gruß
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 23. März 2017, 10:38

Andreas Friedrich

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DDR, 1970er Jahre. In dieser Zeit gibt es eine gut vernetzte Tramperszene, zu der auch Andreas Friedrich gehört. Er trampt quer durch die Republik, zu Konzerten oder Freunden. Der Staat beobachtet und bespitzelt die jungen Tramper nicht nur wegen ihres unangepassten Aussehens mit langen Haaren und Jeans. Der DDR-Obrigkeit ist das Protestpotenzial dieser Gruppe bewusst, weil sie nicht nur feiert und trinkt, sondern sich auch über Veränderungen in der Gesellschaft Gedanken macht.

1982 kommt Andreas Friedrich nach Jena und beteiligt sich an den Aktionen der Friedensgemeinschaft (FG) Jena. An der Demonstration zum Pfingstreffen der Freien Deutschen Jugend am 19. Mai 1983 erscheint der 24-Jährige zusammen mit anderen Mitgliedern der FG Jena mit eigenen Transparenten. Auf seinem Transparent steht: „Schwerter zu Pflugscharen“, der wichtigste Slogan der Friedensbewegung in der DDR. Die FG Jena fotografiert ihre Aktionen, verbreitet die Bilder in der DDR und der Bundesrepublik. Dieser Schritt in die Öffentlichkeit soll andere animieren, es ihr gleichzutun und dient außerdem dem eigenen Schutz.

Der Staat will die FG Jena loswerden. Mit der Aktion "Gegenschlag“ wächst der Druck der Staatssicherheit auch auf Andreas Friedrich und seine Familie. Die Stasi droht, ihm die Kinder wegzunehmen und in ein Heim zu stecken. Außerdem steht Andreas Friedrich eine Haftstrafe wegen Totalverweigerung des Wehrdienstes bevor. Als er im August 1983 schließlich einen Ausreiseantrag für seine Familie und sich stellt, wird dieser noch am selben Tag genehmigt. Die Friedrichs sollen innerhalb von 48 Stunden ausreisen. Eine Woche kann Andreas Friedrich noch zum Packen und Abschiednehmen aushandeln, dann muss er mit seiner Familie über den Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße ausreisen.

Die erste Zeit in West-Berlin ist für ihn furchtbar: ein Leben wie in einem „Westpaket“. Außerdem versteht er sich nicht als Exilant, wie viele der anderen ausgereisten Jenenser. Vielmehr möchte er ankommen und einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Das gelingt ihm erst nach dem Umzug nach Lörrach in Süddeutschland. Dort ist Jena unendlich weit weg.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... -friedrich

Trampen, lange Haare und " Schwerter zu Pflugscharen " und schon war man im Visier der Stasi.... [flash]
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 28. März 2017, 09:11

Heinz Grünhagen

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Strausberg, Frühsommer 1953. Heinz Grünhagen, ein 20-jähriger Bauarbeiter, hat in dem nahe Berlin gelegenen Ort eine gut bezahlte Stelle gefunden. Obwohl er noch so jung ist, lässt man ihn bereits auf der Vertrauensposition eines Brigadiers arbeiten. Für zehn bis dreizehn Kollegen schreibt er die Arbeitsleistungen auf und rechnet sie beim sogenannten Normer ab. Einmal monatlich lässt er die Berichte vom Bauleiter gegenzeichnen. Die SED verlangt in dieser Zeit immer mehr von den Arbeitern. Heinz Grünhagen weiß, was die geforderte zehnprozentige Normerhöhung bedeutet: Der Lohnverlust ist groß. Er weiß auch, dass die Mehrheit der Kollegen den erhöhten Arbeitsdruck ablehnt. Am Abend des 16. Juni 1953 hört er im RIAS, dass Berliner Bauarbeiter zum Sitz der DDR-Regierung ziehen. Dort fordern sie nicht nur die Rücknahme der Normerhöhung, sondern auch freie Wahlen.

Heinz Grünhagen ist frisch verheiratet, seine Frau ist schwanger. Er hätte also gute Gründe, sich politisch zurückzuhalten. Doch er ist von der Aktion der Berliner Bauarbeiter spontan begeistert. Am nächsten Morgen fährt er zur Baustelle, wo die Bauarbeiter sich im Kulturraum versammeln, um eine Streikleitung zu wählen. Auch Heinz Grünhagen gehört zum Streikkomitee.


Heinz Grünhagen und seine Kollegen bemächtigen sich mehrerer LKW der Bau-Union und fahren von einem Betrieb zum anderen, um überall im Kreis Strausberg zum Streik aufzufordern. Im Zementwerk Rüdersdorf fordern sie die Freilassung der politischen Gefangenen, die dort unter schwersten Bedingungen arbeiten müssen. Das Lager ist von der Polizei bewacht. Die Demonstranten gehen einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit den bewaffneten Wachmannschaften aus dem Weg und fahren nach Strausberg zurück.

Auf der Baustelle essen sie zu Mittag, dann machen sie sich auf den Weg nach Ost-Berlin. Kasernierte Volkspolizei und sowjetische Militärs sichern die Stadtgrenze. Als die Arbeiter vorrücken, feuern die Russen Warnschüsse ab. Die Kolonne fährt nach Strausberg zurück. Dort trennt man sich.

Nachts wird Heinz Grünhagen von der Stasi aus dem Bett geholt. Man fährt ihn zusammen mit anderen verhafteten Kollegen in die Bezirksstadt Frankfurt (Oder), wo die Verhöre beginnen. Am 25. Juni 1953 findet der Prozess statt, Heinz Grünhagen ist mit seinen 20 Jahren der jüngste Angeklagte. Er erhält fünf Jahre Zuchthaus. Das Gericht wirft ihm vor, bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei Wortführer der Streikenden gewesen zu sein. Der junge Mann verbüßt seine Strafe im Zuchthaus Luckau. Nach seiner Haftentlassung im Jahre 1956 bleibt er in der DDR. Heinz Grünhagen arbeitet fortan im Straßenbau. Jegliche berufliche Entwicklung bleibt ihm versagt. Seit der Friedlichen Revolution 1989 engagiert sich Heinz Grünhagen dafür, die Erinnerung an den Aufstand vom 17. Juni 1953 lebendigzuhalten.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... gruenhagen
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 2. April 2017, 09:14

Dieter Häcker

Dieter Häcker befand sich hier vom 19. Januar bis zum 5. Juli 1978 in MfS-Untersuchungshaft. In einem öffentlichen Brief an Staatsrat und Volkskammer der DDR hatte er gegen den Umgang der SED-Führung mit dem DDR-Systemkritiker Robert Havemann Stellung bezogen und dabei sowohl die fehlende Meinungsfreiheit in der DDR als auch die politisch motivierte Verfolgung Andersdenkender angeprangert. Seinen mutigen Protest werteten Stasi und DDR-Justiz als ,,öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung" (§ 220 Abs. 1 StGB der DDR). Ende Mai 1978 verurteilte ihn das Kreisgericht Karl-Marx-Stadt/Mitte-Nord zu zehn Monaten Haft, von denen er vier Monate in der berüchtigten Haftanstalt Cottbus absitzen musste.

Die ausführliche Geschichte findet man hier:
http://www.gedenkort-kassberg.de/index. ... ker-dieter

Wieder einmal wurde, gegen eigene Gesetze verstossend, ein Mensch, der nur von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch machte, ins Gefängnis geworfen.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Dr. 213 » 2. April 2017, 18:35

Danke Interessierter, wieder mal ein Mensch, der wegen solchen Kleinigkeiten eingekerkert wurde.
Und weil das schreiende Unrecht auch den Organen bewußt war, hat man alles getan, damit es vor
der Öffentlichkeit verborgen blieb. Und an dieser Stelle erscheinen auch die Fischaufkleber auf den
Barkas- Gefängnistransportern durchaus denkbar und Zeitzeugen dafür gibt es ja auch.

Gruß
Dr. 213
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 4. April 2017, 12:03

Wolfgang Looß

Wolfgang Looß wurde am 5. Oktober 1928 in Chemnitz geboren. Er verstarb am 24. September 2015 ebenfalls in Chemnitz.

Vom 1. Oktober bis 16. November 1945 war Wolfgang Looß als 16-Jähriger auf dem Kaßberg bis zum Abtransport ins Speziallager Nr. 4 nach Bautzen inhaftiert.

Kurzbiographie des Zeitzeugen:

Wolfgang Looß wurde am 5. Oktober 1928 als Sohn eines Typenhebelschleifers in Chemnitz geboren. Als 10-Jähriger wurde er Mitglied des Deutschen Jungvolkes. Mit 14 Jahren wurde er dann Mitglied bei der Flieger-HJ. Im Januar 1945 wurde Wolfgang Looß zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Nach seiner Verhaftung am 1. Oktober 1945 und nach Haft-Stationen auf dem Kaßberg und im Speziallager Nr. 4 in Bautzen erfolgte sein Abtransport nach Sibirien. Bis zur Rückkehr am 28. Mai 1952 wurde er ohne Prozess in zehn verschiedenen Lagern in Sibirien interniert. Nach seiner Freilassung arbeitete er im VEB Werkzeugmaschinen Modul. Wolfgang Looß war Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der Wohngenossenschaft „Einheit" in Chemnitz. Seit 1992 ist er aktives Mitglied des Vereins der Opfer des Stalinismus e. V. (VOS). Im Jahr 2000 wurde sein Antrags auf Rehabilitierung abgelehnt.

http://www.gedenkort-kassberg.de/index. ... s-wolfgang
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Kumpel » 19. April 2017, 10:38

andr.k hat geschrieben:Stellt sich doch die Frage, warum D.Gollnick nicht bei der großen Amnestie im Oktober 1987 dabei war?



Eine Amnestierung war bei meinem Bruder auch im Gespräch.Anlass war 30 Jahre DDR.Nach undurchsichtigem hin und her wurde er Schluss endlich nicht amnestiert und blieb im Knast
bis ihn ein Bus in Karl-Marx-Stadt abholte der ihn in den Westen brachte.
Kumpel
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Interessierter » 9. Mai 2017, 10:31

Rainer Müller

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Leipzig, Herbst 1987. Rainer Müller (21) engagiert sich in verschiedenen Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Leipzig, zum Beispiel im Arbeitskreis Solidarische Kirche, in der Umweltgruppe Borna, der Arbeitsgruppe Menschenrechte um Pfarrer Wonneberger und im Arbeitskreis Gerechtigkeit, zu deren Sprechern er seit 1988 gehört. Er beteiligt sich am Olof-Palme-Friedensmarsch im September 1987 und am Pleiße-Gedenk-Umzug durch die Leipziger Innenstadt am 5. Juni 1988.

Nach den Verhaftungen im Zusammenhang mit der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am 17. Januar 1988 in Ost-Berlin rufen Rainer Müller und andere Leipziger den Sonnabendskreis ins Leben. Dieser soll die Oppositionsgruppen in der ganzen DDR vernetzen und koordinieren. Im Vorfeld der Leipziger Luxemburg-Liebknecht-Demonstration im Januar 1989 wird Rainer Müller wegen geplanter oppositioneller Aktionen verhaftet.

Zusammen mit Uwe Schwabe demonstriert er zum Abschluss des Sächsischen Kirchentags im Juli 1989 mit einem Transparent, auf dem in chinesischen Schriftzeichen "Demokratie" steht, gegen das von der SED begrüßte Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking und für die Solidarität mit der chinesischen Demokratiebewegung.

Fester Termin der Leipziger Oppositionsgruppen ist das montägliche Friedensgebet in der Nikolaikirche. Im Sommer 1988 beschließt die Kirchenleitung, einige oppositionelle Gruppen von der Gestaltung der Friedensgebete auszuschließen. Rainer Müller verteilt daraufhin Tücher mit der Aufschrift „Redeverbot“, die sich einige vor den Mund binden. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Arbeitskreises Gerechtigkeit machen sie den Kirchenvorplatz zu ihrem Podium, verlesen Informationen und kündigen Veranstaltungen an.

Als es am 7. und 8. Oktober 1989 zu brutalen und erniedrigenden Übergriffen auf festgenommene Demonstranten kommt, verfasst Rainer Müller zusammen mit anderen einen Aufruf gegen Gewalt: „Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mit Gewalt! Wir sind ein Volk!“, den sie auf etwa 20.000 Flugblättern verteilen. Nachdem am 9. Oktober 1989 die Montagsdemonstration in Leipzig mit rund 70.000 Teilnehmern friedlich verläuft, wissen sie: Es ist geschafft. Die Regierung muss der Forderung nach demokratischen Reformen nachgeben.

https://www.jugendopposition.de/zeitzeu ... er-mueller

Interessant auch das Foto, dass zeigt wie es teilweise in der DDR aussah. [denken]
Interessierter
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Merkur » 9. Mai 2017, 12:23

Interessierter hat geschrieben:Interessant auch das Foto, dass zeigt wie es teilweise in der DDR aussah.


Warst Du mal vor 25 Jahren in bestimmten Gegenden von Essen-Katernberg?
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Kumpel » 9. Mai 2017, 12:27

Ich lach mich schlapp , dieser Merkur.Wo hast du denn gelebt? Warst du nicht selber Zoni? [laugh]
In der Zone gab es diese Ruinenviertel in jeder Großstadt ganze Strassenzügeweise.
Nicht auszudenken was aus diesen Vierteln geworden wäre wenn es die DDR weiter gegeben hätte.
Kumpel
 

Re: DDR - Oppositionelle

Beitragvon Merkur » 9. Mai 2017, 12:46

Kumpel hat geschrieben:Ich lach mich schlapp , dieser Merkur.Wo hast du denn gelebt? Warst du nicht selber Zoni? [laugh]
In der Zone gab es diese Ruinenviertel in jeder Großstadt ganze Strassenzügeweise.
Nicht auszudenken was aus diesen Vierteln geworden wäre wenn es die DDR weiter gegeben hätte.


Was hat das mit meiner Frage zu tun?
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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