Der Junge aus dem Gelben Elend

Der Junge aus dem Gelben Elend

Beitragvon zonenhasser » 5. September 2018, 16:37

Richard Böttge kam wegen eines Schülerstreichs ins berüchtigte Bautzen-Gefängnis

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von: PETRA GEBAUER veröffentlicht am
03.09.2018 - 23:00 Uhr

Leipzig/Bautzen – Er war erst 16 – und plötzlich ein Staatsfeind. Ein sowjetisches Militärgericht verurteilte Richard Böttge 1951 zu zehn Jahren Haft. Das Vergehen des Schlosser-Lehrlings: Er hatte in der Berufsschule auf einem Lenin-Porträt herumgekritzelt.

Zur Verbüßung der Strafe wurde er in den berüchtigten Volkspolizei-Knast „Bautzen I“ gesteckt. Dort war es im März 1950 zu einem Haftaufstand gekommen, der brutal niedergeknüppelt wurde. Herausgeschmuggelte Appelle gelangten in den Westen und prägten den Begriff „Gelbes Elend“.

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Das Bild, das Lehrling Richard hinter Gitter brachte, ist bis heute verschwunden. Erhalten sind allerdings Dutzende Briefe aus der Haft an die Eltern, seine 16 (!) Gnadengesuche, rund 400 Seiten Stasi-Akten und vieles mehr.

Drei Jahre nach dem Tod seines Bruder übergab Horst Böttge (82) gestern sieben dicke Ordner an das Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V. Er hatte die Dokumente akribisch gesammelt, um sie vor dem Vergessen zu bewahren.

Richard war 1954, nach Stalins Tod, durch eine Amnestie freigekommen. „Aber er hat die Ereignisse damals seelisch nie ganz verwunden. Versuchte, sie irgendwie abzuhaken", erinnert sich der Horst Böttge.

Trotz seiner Vorgeschichte schaffte es Richard, Karriere in der damaligen DDR zu machen. Als Ingenieur für Heizungsanlagen war er in Hoyerswerda für die Fernwärmeversorgung von rund 50 000 Wohnungen zuständig. Doch selbst als er bereits Chef von 170 Mitarbeitern und obwohl er für seine Leistungen vielfach ausgezeichnet wurde, blieb Böttge im Fokus der Stasi. „er Makel seines politischen Arrests blieb bis zum Ende der DDR an ihm haften", sagt sein Bruder. 1961, wenige Stunden vor dem Mauerbau, war Horst Böttge in den Westen gegangen. Seinen Bruder traf er nur noch heimlich in Ungarn oder der Tschechei. Bis zur Wende reiste er nie in die DDR.

Böttge, der südlich von München lebt: „Ich merke, wie wenig von damals bekannt ist. Oft höre ich 'Das haben mir meine Eltern nicht erzählt'. Es ist daher wichtig, dass die Unterlagen jetzt in Leipzig liegen, wo sie für alle zugängig sind."

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© BILD 5. 9. 2018 https://www.bild.de/regional/dresden/dr ... .bild.html
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Re: Der Junge aus dem Gelben Elend

Beitragvon Interessierter » 6. September 2018, 06:46

Einfach schrecklich derartige Terrorurteile, die ein junges Leben zerstörten.
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Re: Der Junge aus dem Gelben Elend

Beitragvon Nostalgiker » 6. September 2018, 06:58

Ja ein Studium und dann eine Leitungsposition in einem Betrieb kann schon ein Leben zerstören ........ [shocked]
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Der Junge aus dem Gelben Elend

Beitragvon Volker Zottmann » 6. September 2018, 09:35

Satire ist hier nicht angebracht. Es ist wohl ernst gemeint. Erschreckend, was für hohle platte Tiraden hier abgeliefert werden.
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Re: Der Junge aus dem Gelben Elend

Beitragvon Transitfahrer » 6. September 2018, 16:09

Nostalgiker hat geschrieben:Ja ein Studium und dann eine Leitungsposition in einem Betrieb kann schon ein Leben zerstören ........ [shocked]


Stimmt, einen 16 Jährigen JUNGEN für ein wenig Kritzelei zu 10 Jahren Haft zu verurteilen, von den er nur 3 Jahre absitzen musste, ist doch der richtige Start für eine Karriere in der DDR. [bravo]
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
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Re: Der Junge aus dem Gelben Elend

Beitragvon Beethoven » 9. September 2018, 06:34

Na ja, einen 16-jährigen wegen solchen Unfugs zum Staatsfeind zu erklären und für 10 Jahre wegsperren wollen, ist echt harter Tobak.
1951 war so etwas leider möglich. Ein "DU,DU" hätte vermutlich auch gereicht, es sei denn, es steckte etwas anderes dahinter. Aber das weiß man ja nicht.

Auf jeden Fall aus heutiger Sicht nicht mehr begreifbar.


Die Karriere danach lässt aber ein bisschen verwundern. Studium und leitende Funktion. Vielleicht hat man erkannt, dass man mit der Bestrafung weit über das Ziel hinaus geschossen ist
und wollte etwas gut machen an dem jungen Mann. Ich weiß es nicht.

Freundlichst
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

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