Ohne die Arbeit und die Qualifikation der Ärzte anzweifeln zu wollen, gab es aber auch solche erschreckenden Berichte und Zustände über DDR - Kliniken, wie den Nachstehenden.
04.06.1990
„Zurückgekommen ist keiner“An manchen Tagen liegt ein süßlicher Geruch über der Eingangshalle. Er stammt von den Toten im Keller der Güstrower Kreisklinik. Einige von ihnen hatten schon länger gelegen, ehe man sie fand. In den ungekühlten Katakomben des Krankenhauses staut sich dann die klebrig-zähe Wolke. Bleibt eine Tür zu lange auf, zieht sie nach oben, durch die Gänge, in denen blasse Frauen auf ihre Niederkunft warten.Davon ist an diesem Nachmittag nichts zu merken. Die Luft auf den Fluren ist zum Schneiden dick. An einer Abzweigung riecht es penetrant nach Fäkalien. In einer Kammer, nicht größer als zwei Toilettenzellen, sitzt die Sekretärin auf einem bösartig spitzwinkligen Stuhl. Vor ihr an der Wand ein Farbdruck aus dem sozialistischen Kleinbürgertraum: Balustraden, Freitreppen, plüschiges Interieur eines Ost-Berliner Nobelhotels.
Der Blick darauf hat nicht viel geholfen in all den Jahren: "Wir haben das so satt hier", sagt die Frau, "die Enge, das Billige, die Geschmacklosigkeit."
Der Klinikchef ist ein zäher Chirurg. In der zweiten Hälfte des 14-Stunden-Arbeitstages, den Joachim Augsburg, 53, manchmal, wenn er nicht mehr schlafen kann, um vier Uhr früh mit einem Waldlauf anfängt, sprießen ihm die grauen Stoppeln im Gesicht. Die goldfarbene Brille ist verrutscht. Er hat den Besucher eingeladen. Doch jetzt ist er unschlüssig.
Das Alltagselend der DDR-Medizin auf dem Lande läßt sich mit ein paar Sätzen nicht beschreiben.
Überall an der 600-Betten-Klinik zeigt sich die Not. Jede zehnte Krankenschwester hat seit der Wende den Job in Güstrow an den Nagel gehängt. Zwei Stationen mußten geschlossen werden. Die meisten Abwanderer arbeiten an westdeutschen Krankenhäusern. "Zurückgekommen", so Augsburg, "ist von denen bisher noch keiner."Auch nicht die OP-Schwestern. Jede zweite von ihnen ist gegangen. Der Operationsbetrieb läuft deshalb nur noch auf Sparflamme. Krebspatienten und Unfallverletzte kommen im schmalen Operationssaal noch immer gleich unters Messer. Alle anderen warten oft monatelang. "Was planbar ist", sagt Klinikchef Augsburg, "muß zurückgestellt werden."
Das Handwerk der Güstrower Chirurgen ist hart. Es fehlt an Operationsmikroskopen und Klammernähapparaten. Die Arbeit mit den haarfeinen Fäden, die mit bloßem Auge kaum zu sehen sind, kostet Kraft. Im Sommer, wenn die Sonne auf dem Dach steht, sind die Ärzte hinterher in Schweiß gebadet.
Das Selbstbewußtsein der Mediziner ist gerade unter diesen Bedingungen gewachsen. "Wir können uns mit dem, was wir machen, sehen lassen", sagt Augsburg. Wie er es sagt, läßt keinen Zweifel daran, daß sich Leute wie er vor den Assen im Westen nicht ducken werden.
Gefragt war in der Vergangenheit, wie der Güstrower Chefarzt es ausdrückt, "pathologischer Optimismus". An der Klinik gibt es fast kein modernes Gerät. Der nächste Computertomograph steht 40 Kilometer entfernt in Rostock. Die Röntgenmaschinen im Keller sind hoffnungslos veraltet und, "wer weiß", sagt Augsburg, gesundheitsgefährlich. Seit zehn Jahren werden sie mit Ausnahmegenehmigungen betrieben.
Eines der kostbaren Aggregate steht nutzlos in einer Nische. Die krankenhauseigenen Ratten hatten sich durch die Kabelschächte bis zu ihm vorgefressen und die Weichteile genüßlich ausgeweidet. Auch Experten aus der Bundesrepublik, die jetzt alles besser wissen müßten, kommen mit ihrem Latein nicht weit. Was beispielsweise Manfred Steinbach, 56, Abteilungsleiter im Bonner Gesundheitsministerium, in den letzten Wochen auf seinen Reisen in die DDR gesehen hat, erinnert ihn an die Zeit, in der er "selbst noch als Student an der Klinik war", in Halle.
"Daß es so schlimm sein würde", gesteht er, "haben wir nicht erwartet."Jede zweite der 543 DDR-Kliniken stammt aus dem 19. Jahrhundert. Ungefähr ein Drittel der Bausubstanz, so haben Experten des Deutschen Krankenhausinstituts in Düsseldorf erkannt, ist derart heruntergekommen, daß sich die Renovierung nicht mehr lohnt. 30 Milliarden Mark werden nötig sein, um die Häuser im Osten auf westliches Niveau zu bringen.
Die "räumlichen und apparativen Mängel", so weiß auch Frank-Ulrich Montgomery, Vorsitzender der Kölner Klinikärzte-Gewerkschaft Marburger Bund, sind "so eklatant, daß wir nach westlichen Standards wahrscheinlich die meisten ostdeutschen Kliniken, Polikliniken und Staatspraxen sofort schließen müßten". Noch nicht einmal auf den Intensivstationen, so hatte Professor Martin-Michael Arnold, Vorsitzender des Sachverständigenrates der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen, bei seinen Visiten im Nachbarland erkannt, wurden die notwendigsten Hygieneregeln eingehalten.Mit allen Anzeichen des Entsetzens schilderten ärztliche Besucher aus dem Westen, was sie reihum in den Gesundheitseinrichtungen der DDR zu sehen bekamen. In den Kliniken blühten Schimmel und Rost. Von den Versorgungsrohren tropfte es. Sanitäre Einrichtungen spotteten jeder Beschreibung. Auf den Stationsküchen warnten Schilder vor Rattengift. Alle drei großen Kliniken in Dresden etwa, berichtete Heinz Lohmann, Planungsfachmann bei der Hamburger Gesundheitsbehörde, waren baulich in einem "unbeschreiblich schlechten Zustand". Dächer und Fenster leckten, sogar in den OP-Lampen sammelte sich das Wasser. Wer noch mehr von diesen damaligen, unerträglichen Zuständen vertragen kann, der kann den vollständigen Beitrag hier lesen:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13499298.htmlOb gewisse User auch hier wieder wahrheitswidrig behaupten, das hätten nur die bösen Wessi - Ärzte erfunden?