Die einfache Einreise nach Westberlin aus der "dritten" Welt

Die einfache Einreise nach Westberlin aus der "dritten" Welt

Beitragvon augenzeuge » 31. Oktober 2010, 18:25

Bis Mitte 1985 kam man als Asylant sehr leicht nach Westberlin. Ein Visum der BRD brauchte man nicht, und das Transitvisa der DDR bekam eigentlich jeder.

Man flog aus Asien oder Afrika nach Berlin-Schönefeld, was eigentlich nicht auf dem Gebiet Berlins liegt, setzte sich dort in die S-Bahn und war in wenigen Minuten in Westberlin.

Da es auf den westlichen Bahnhöfen keine Grenzkontrollschalter gab - alliierte Vorbehalte und westliche Vorstellungen von Freizügigkeit standen dem entgegen -, war die Ausländerpolizei auf Stichproben beschränkt.

Das führte natürlich zu einer hohen Asylantenzahl, die sich nach den Unruhen in Sri Lanka deutlich verstärkte. Die Stadt hatte keine Kapazitäten mehr.

40 Kontrolleure, die in Zügen und Ausgangshallen patrouillierten, überprüften 1984 rund 70000 Ausländer und nahmen 9000 von ihnen wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz fest.

Im ersten Halbjahr 1985 kamen rund 12000 Zuzügler, doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Drei Viertel von ihnen wollen in West-Berlin bleiben und stellten ihren Asylantrag gleich dort. Mitte April meldeten sich binnen 24 Stunden 221 Tamilen, die Asyl begehrten.

Bisher argumentierte die DDR, dass dies nicht ihr Problem sei. Außerdem machte man neben der Aeroflot einen Millionenumsatz. Hauptsächlich betroffen vom Transit-Stopp ist die Sowjet-Fluggesellschaft Aeroflot, die bislang 70 Prozent der asiatischen One-way-Passagiere gegen Devisen beförderte (Interflug-Anteil: 17 Prozent).

Doch nun bekam auch die DDR Druck aus der Skandinavischen Seite, denn auch dahin reiste man von Schönefeld mittels Transitvisa weiter.

Ganz still wurde nun ein innerdeutscher Vertrag geschlossen, der es den Flüchtlingen aus Sri Lanka unmöglich macht, diesen Weg weiter zu benutzen. Die DDR verlangt ab sofort ein Einreisevisa für die BRD, wenn man mittels Flugzeug nach Schönefeld aus Sri Lanka einreist.
Indirekt ist das fast schon ein Zugeständnis, das Westberlin doch zur BRD gehört....

Ganz zufällig kam am selben Tag aus Bonn die Nachricht, daß im Handelsverkehr zwischen Bundesrepublik und den Ostdeutschen der eingeräumte zinslose Überziehungskredit von 600 auf 850 Millionen Mark erhöht worden sei.

Offiziell hingen diese Entscheidungen natürlich nicht zusammen..... [grins]

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AZ

Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13514331.html
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Die einfache Einreise nach Westberlin aus der "dritten" Welt

Beitragvon Interessierter » 1. Dezember 2015, 12:18

Schon die DDR nutzte Flüchtlinge als Druckmittel

1985/86 lenkte das SED-Regime mehr als 150.000 Asylbewerber aus Afrika und Asien unkontrolliert in die Bundesrepublik. Die DDR wollte Druck auf die Bundesrepublik machen – und hatte damit Erfolg.



Die Schlangen vor den Ausländerbehörden sind schier endlos. Zahlreiche Turnhallen und andere Gebäude dienen als Notunterkünfte, die öffentliche Hand muss Nachtragshaushalte beschließen, um die Sozialausgaben für die strömenden Flüchtlinge bewältigen zu können. Die Debatte in Zeitungen und Fernsehsender schwankt zwischen "Alle aufnehmen – wir schaffen das!" und "Asylrecht streichen und Grenzen schließen!". An den Stammtischen dominiert eindeutig die zweite Alternative.

Was klingt wie eine Beschreibung der Gegenwart, ereignete sich tatsächlich vor rund 30 Jahren. 1985 nämlich entdeckte die Führung der SED, dass man Flüchtlingsströme sehr gut als politische Waffe einsetzen konnte. Ausgerechnet der Staat, der Jahr für Jahr mehrere Prozent seines Staatshaushaltes in die militärische Sperrung seiner eigenen Grenzen steckte, freilich nur für eigene Bürger, nutzte ungehinderten Transit für Menschen aus der Dritten Welt als politisches Druckmittel.

Der Historiker Jochen Staadt (Link: http://www.fu-berlin.de/sites/fsed/mita ... er/staadt/) vom Berliner Forschungsverbund SED-Staat erinnert jetzt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Link: http://www.faz.net/) " an dieses vergessene Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte. Das Manöver der DDR brachte die Bundesrepublik und vor allem die damals eingemauerte Teilstadt West-Berlin bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit und trug sicher bei zum Aufschwung einer populistisch-rechten Bewegung, die dann 1989 unter dem Namen "Die Republikaner" tatsächlich ins Landesparlament, das Abgeordnetenhaus, gewählt wurde.

Bis 1977 war Artikel 14 des Grundgesetzes, demzufolge "politisch Verfolgte" in der Bundesrepublik Asyl genießen, nur relativ selten genutzt worden – die Zahl der entsprechenden Anträge lag bei 1906 bis maximal 16.410 pro Jahr. 1978 änderte sich das schlagartig: In diesem Jahr beantragten 33.136 Menschen Asyl, im darauffolgenden Jahr 51.493 und schließlich 1980 107.818. Fast ausnahmslos handelte es sich um Wirtschaftsmigranten, meistens um junge Männer.

Nach heftigen öffentlichen Debatten führte die Bundesregierung die Visapflicht für zahlreiche Herkunftsstaaten ein und die Regelung, dass Fluglinien, deren Maschinen in der Bundesrepublik landeten, verpflichtet wurde, Passagiere ohne Visa auf eigene Kosten zurückzufliegen. Schlagartig gingen die Antragszahlen stark zurück, bis auf knapp 20.000 im Jahr 1983.

Das änderte sich jedoch 1984: Die Zahl der Asylsuchenden stieg wieder auf mehr als 35.000, verdoppelte sich dann im folgenden Jahr und erreichte 1986 einen Wert von 10.000 Antragstellern pro Monat. Die allermeisten dieser Menschen kamen auf einem Weg, den die westdeutsche Politik bis dahin nicht im Blick gehabt hatte: über die DDR.

Maschinen der ostdeutschen Gesellschaft Interflug und der sowjetischen Aeroflot brachten ohne Rücksicht auf die Visapflicht Menschen vor allem aus dem damaligen Bürgerkriegsgebiet Sri Lanka sowie aus verschiedenen schwarzafrikanischen Staaten zum DDR-Flughafen Schönefeld im Südosten Berlins. Hier wurden die Ankömmlinge in Bussen geladen und zum Bahnhof Friedrichstraße gebracht, wo sie ohne die üblichen, zeitraubenden und oft schikanösen Kontrollen von DDR-Grenzern durchgelassen wurden. Vom S-Bahnsteig konnten die Menschen dann weiterfahren.

http://www.welt.de/geschichte/article14 ... ittel.html
Interessierter
 


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